Das Buch beginnt mit einer Geschichte, die beispielgebend für das 20. Jahrhundert stehen könnte, nämlich mit Flucht und Vertreibung. Im Zuge der allgegenwärtigen Diskriminierung der Armenier im osmanischen Reich wird die armenische Kaufmannsfamilie Mazloumian aus ihrem Heimatdorf in Kilikien vertrieben. Zusammen mit seiner Familie verlässt xx seine Heimat und siedelt nach Aleppo über, der weltoffenen und gastfreundlichen Stadt am Orontes. Hier gründete er mit Hilfe der armenischen Gemeinde, seiner Söhne und Familie sein erstes Hotel, das „Ararat“, das in Aleppo schnell zum im Begriff orientalischer Gastlichkeit wurde. Seine beiden Söhne stiegen ebenfalls ins Hotelgeschäft ein, gründeten eigene Häuser, bis sie sich 1909 zusammen Taten, um gemeinsam das „Hotel Baron“ zu gründen. Dieses Hotel in wird als ein idealer Platz der Begegnung zum Inbegriff des Orients für westliche Reisende und des Westens für orientalische Reisende. Und diesem schrieb Agatha Christie am „Orient Express“, nebenan logierte Lawrence von Arabien, der übrigens seine Zimmerrechnung nicht bezahlte, ferner König Faisal, Gamal Abdel Nasser Theodore Roosevelt und Nelson Rockefeller
Die Autoren des vorliegenden Buches entfalten den Werdegang des Hotels wie einen Spiegel der allgemeinen orientalische Geschichte. Bewegend, ist es zu lesen, wie das Hotel Baron in der ersten Phase des türkischen Völkermordes an den Armenien ein -Schutzraum für Verfolgte war, dem viele Armenier ihr Leben verdankten. Nur knapp entgingen die Mazlounians selbst dem Deportationsbefehl des Innenministers aus Istanbul. Als 1918 die arabischen Truppen König Feisals Aleppo einnehmen, bleibt das Hotel von der Plünderung verschont. Kurz darauf ruft König Faisal vom Balkon des Hotels, die Unabhängigkeit Syriens aus.
Und so geht es weiter. Die französische Kolonialzeit, die perfide Abtretung Nordsyriens an die Türkei, die Machenschaften der Kriegsparteien im Zweiten Weltkrieg, die spannungsreichen ersten Jahrzehnte der Unabhängigkeit, alles wirft seinen Schatten auf das Hotel, wenn nicht sogar, die Geschehnisse im Hotel selbst die allgemeine Geschichte beeinflussen. Am Ende steht der Kampf der Mazlouminas gegen die Korruption des Azad Regimes, die mehr schlecht als recht abgewwendet werden kann, ehe der Niedergang von einer ganz anderen Seite kommt. Gegenüber den neuen Luxushotels des Orients gerät das Hotel ions Hintertreffen. Es kommt schon lange keine Prominenz mehr, und auch der Massentourismus, der im Syrien der Jahrtausendwende anhebt, macht einen breiten Bogen um das Hotel. „Das Hotel Baron wurde nicht einmal in Betracht gezogen“, schreiben die Autoren. „Zu klein für die große Zahl der Reisegruppen. Zu schlecht geführt für die gehobenen Ansprüche der westlichen Welt: Allenfalls auf einen Kaffee lohne es den Besuch, so das Urteil der Veranstalter.“
Der syrische Bürgerkrieg gab dem Hotel dann den Rest. 2014 verlief die Front genau am Hotel Baron, sodass das Haus im Hagel der Mörser und Granaten seinen Betrieb einstellte. Als ich im September 2023 Aleppo besuchte, war das Haus noch immer geschlossen, weil angesichts der desolaten Zuständen die Eigentümer keine Lust mehr hatten, das Hotel weiter zu betreiben und auch noch keinen anderen Käufer gefunden hatten.