Um eines vorweg zu schicken: ich habe zum amerikanischen Präsidenten ein extrem ambivalentes Verhältnis. Das proletenhafte Gehabe, mit dem er sich manchmal in der Öffentlichkeit produziert, ist eines Konservativen schlicht unwürdig. Einen größeren Gegensatz zum immer vornehm und kommunikativ auftretenden Barack Obama kann es kaum geben. Auf der anderen Seite kann niemand die Augen davor verschließen, dass die Grundlinien seiner Politik bis zur Corona Krise erfolgreich waren, nämlich die Rückführung industrieller Potenz aus dem Ausland in die Vereinigten Staaten, die Senkung der Arbeitslosigkeit, die Steigerung der Kaufkraft, die stärkere Regulierung der Einwanderung und die Ankurbelung der Wirtschaft durch die Steuerreform. Natürlich stehen diesen Erfolgen auch Misserfolge wie etwa die Ausrufung der Staatsverschuldung gegenüber.
Darum geht es dem Autor aber gar nicht. Sein Buch versteht sich als Munitionierung eines totalen publizistischen Krieges des Linksliberalismus gegen die Person und die Präsidentschaft Donald Trumps. So wie es der Text nahelegt, handelt es sich bei „Anonymus“ um einen Staatsbeamten und ehemaligen Trump-Anhänger, der das Volk durch die Verbreitung von Internas über die Schwächen Präsident Trumps vor dessen Wiederwahl warnen will. Obwohl er jedermann auffordert, gegen Präsident Trump öffentlich aufzutreten, hält er sich selbst bedeckt. Seine Attitüde, ein ehemaliger Anhänger mit gutem Willens gewesen zu sein, ist unglaubwürdig. Dafür sind seine moralischen Urteilen viel zu hasserfüllt: Der Präsident ist ein gemeiner, psychopathischer, herumlallender Fünfjähriger, den es nur um seine eigene Macht geht. Er ist ein moralisch minderwertiger Charakter, beratungsresistent, launisch, anfällig für Apologeten und Schmeichler und lügt wie gedruckt – mit einem Wort er ist ein autokratischer, autoritärer selbstverliebter Mann auf dem falschen Posten. Diese Sichtweise wird über hunderte von Seiten anhand zahllosen unschöner und peinlicher Episoden unterfüttert, die in ihrer Massierung aber den Nachteil haben, dass sie den Leser ermüden. Kafka hat das einmal sehr schön ausgedrückt: Je mehr Vorwürfe ich jemandem mache, desto mehr verlieren die einzelnen Vorwürfe an Gewicht, und am Ende werde ich selbst unglaubwürdig. Das kümmert Anonymus aber nicht, Unverdrossen legt er die Trump-Präsidentschaft unter ein moralisches Elektronenrastermikroskop gelegt und zählt jedes Dreckkörnchen – und man fragt sich, was bei der gleichen Fokussierung bei Bill Clinton, Bush oder Obama herauskäme. Von Hillary Clinton ganz zu schweigen. Dass die Belege für die Vorwürfe natürlich Mangelware sind, muss im Grunde kaum erwähnt werdne.
Im Prinzip wird dem Leser in dem vorliegenden Buch ein Grundkurs in „dirty Politics“ angeboten, die in den USA genauso funktioniert wie in Großbritannien oder Deutschland. Wenn er sich darüber beklagt, dass Leute „ohne jede Eignung hohe Position erhalten“, fällt mir sofort Ursula von der Leyen ein (aber nicht nur die). Lange reflektiert Anonymous über die Schmeichler, die den Präsidenten umgeben und tut so, als wäre das etwas Besonderes.
So bleibt am Ende der Lektüre eine etwas unappetitliche Empfindung. Man hat das Gefühl, einem Heuchler und Petzer zugehört zu haben, der versucht seine Leser mit allen Mitteln der üblen Nachrede zu manipulieren. Diese Kritik an Anonymous bedeutet natürlich nicht, dass eine Kritik an Trump sakrosankt wäre. Sie sollte nur ehrlicher offener und konkreter daherkommen, etwa so, wie es James Comey in seiner Abrechnung mit dem Präsidenten vorgemacht hat. Dann kann sich jeder sein eigenes Urteil bilden.
Hallo Christa, vielen Dank für deine kundigen Anmerkungen. Ich sehe es genauso. Vielleicht etwas zugespitzt hat es dieser Tage Houellebecp geäußert: ein schrecklicher Mensch, aber ein großer Präsident. Hab euch gesttern auf der Wiese nicht gefunden. Besge Grüße Adrian
Vielen Dank für die Besprechung, deren Gehalt ich gut nachvollziehen und auch teilen kann. Was täten die deutschen Gazetten ohne diesen Mann, woran wollten sie sich sonst abarbeiten, wo doch die Auflagen immer mehr stagnieren und sie uns per Telefon nahezu umsonst angeboten werden? Der Präsident ist sicher eine Art Egomane. Vielleicht muß er das sein, um sich gegen die geballte Macht der Gegner zu behaupten, ich bewundere seine Standfestigkeit, fürchte ebenso eine Art Attentat, wenn die eingesetzten Diffamierungen nicht mehr ausreichen sollten. Er hat vieles angepackt, vieles ist aufgrund des Gegenwindes nicht gelungen, Corona hat viele Vorhaben zunichte gemacht. In einem Land, in dem die bürgerliche Freiheit alles bedeutet, sind Einschränkungen schwer durchzusetzen, noch dazu bei souveränen Einzelstaaten. Es ist müßig zu fragen, wie Obama gehandelt hätte oder gar Hillary, von Ehrgeiz zerfressen. Trump ist Geschäftsmann, kein Politiker, er kann handeln und verhandeln, er wird sein „Hab und Gut“ sprich sein Land nicht zu billig hergeben. Seine größte Schwierigkeit ist der derzeit alles beherrschende Zeitgeist, der alle wohlmeinenden Politiker und rechtschaffene Bürger nahezu hinwegfegt. Trumps Sieg wäre ein kleiner, aber wichtiger Hoffnungsschimmer auch für unser Land.