Als die Dürre über die Mayastädte hereinbrach, war bereits alles zu spät. Die Wälder waren abgeholzt, die Zisternen leer, die Böden versauert und die Bevölkerung war viel zu zahlreich. Bürgerkriege, Revolutionen, Hungersnöte und Kanibalismus machten das das Leben in Tikal oder Copan zur Hölle, ehe sich rachitische und ausgemergelte Menschen nach Norden aufmachten, um im flachen Yukatan nach Wasser zu graben. Als der Seehandel in Ostpolynesien zusammenbrach, saßen die Menschen auf Pitcairn in der Falle. Aller Einfallsreichtum nutze ihnen nichts – auf den Fragmenten einer zerstörten Umwelt verhungerten die Insulaner von Pitcairn lange bevor die Meuterer der Bounty auf dieser Insel ihre letzte Zuflucht fanden. Der Untergang der Normannen auf Grönland, der dramatische Aufstieg und Niedergang der Osterinsel oder das Ende der Anasazi-Indianer im Südwester der heutigen USA – immer aufs Neue schlagen die Katastrophen über den nicht nachhaltig wirtschaftenden Gesellschaften zusammen, und der Leser, der bei der Lektüre den Völkerschicksalen aus der Vogelperspektive folgt, erfasst jedes Mal aufs Neue das Grausen, wenn einem ganzen Volk die Stunde schlägt. Doch Diamonds Buch enthält nicht nur schlechte Nachrichten, sondern er präsentiert auch Beispiele für Umkehr und Reform. Die Sylvi-Kulturen in Papua-Neuguinea, die Abschaffung der Schweinezucht auf der Salomoneninsel Tikopia, die kollektive Umorganisation des japanischen Speisezettels, die deutsche Forstwirtschaft und viele andere Beispiele zeigen, dass die Umwelt keineswegs nur Schicksal ist. Selbst in ökologisch hochsensiblen Regionen haben die Menschen noch eine Wahl, wenn sie sich als Teil der Umwelt begreifen und nachhaltig wirtschaften lernen. Das gilt vor allem für die Gesellschaften der Gegenwart, die Diamond als Zivilisationen am Scheideweg begreift, in denen sich der Niedergang zwar ankündigt, in denen aber noch nichts entscheiden ist. Es gilt für das auf den ersten Blick so wunderbare Montana, das unter des Gift des Abraums leidet, für Australien, den Kontinent, in der schon heute dreifach übervölkert ist, und für China, der Player der Zukunft, der schon in der Phase seines Aufstiegs dabei ist, seine Lebensgrundlagen irreparabel zu schädigen. Es ist eine packende und zugleich bedrückende Bilanz von planetarischer Gültigkeit, die der Autor vorlegt – und was das erstaunlichste ist: sie ist keine Sekunde langweilig. Und dass, obwohl Diamond dem Leser einiges zumutet: Dendrochronologie, Kotbestimmung, Baumrindenanalyse, Pollenkernforschung – kein Forschungsansatz ist zu kompliziert, als dass ihn der Autor nicht anschaulich zu erklären und in die Betrachtung mit einzubeziehen wüsste. Kein Ökosystem ist zu komplex, als dass es Diamond nicht gelingt, die existentiellen Lebensbedingungen der Gesellschaften in wenigen aber ungemein anschaulichen Skizzen transparent zu machen. Man lernt dabei unvermittelt auf die Kleinigkeiten zu achten, auf die Bodengestalt, die Windstärke, das Alter des Gesteins oder den Schattenwurf des Waldes: alles spielt seine Rolle auf im großen Drama des Lebendigkeit, dessen Ausgang immer offen ist. Bevölkerungsentwicklung, Bodenerosion, Waldschäden, Wasserversorgung, Überfischung und Überweidung, Klimaveränderungen, aber auch die Feindschaft oder die Freundschaft benachbarter Gesellschaften sind die Herausforderungen, denen sich die Menschen in allen Gesellschaften irgendwann einmal zu stellen haben. Auch wenn manche Parallele, die der Autor zieht, manchem etwas kurzschlüssig erscheinen wird, ist das Buch als Ganzes ein Erlebnis, dass auch denjenigen verwandeln wird, der (wie ich) bislang mit Ökologie wenig am Hut hatte. Für mich das beste Sachbuch der letzten 10 Jahre.
Erstaunlicherweise, das ist meine einzige Kritik, bleiben in dem vorliegendden Buch Kollaps-Faktoren durch Einwanderung völlig außen vor. Das erstaunt um so mehr, als das prekäre Niveau von Gesellschaften, die ein lebensfähgies Gleichgewicht von Umwelt und Ressourcennurtzung gefunden haben, jederzeit von nicht adaptierten Einwanderungswellen zerstört werden kann. Die Einwandeung der Langohren auf den Osterinsel, der Banu Hillaa in Nordarfika oder der Mongolen nach Nordchina sind dafür nur einige Beispiele. Aktuelle Verweise verkneife ich mir, ich will schließlich nicht als Nazi beschinpft werden.