„In der Geschichte der Menschheit treten neben unter der unabsehbaren Menge der Selbstsüchtigen, der Ehrgeizigen und Machtgierigen zum Glück auch immer wieder Gestalten auf, die zum Symbol einer segensreichen Epoche werden.“ Das ist der erste Satz des vorliegenden Buches (Seite 11 ). Soll man jetzt noch weiter lesen?
Ich meine ja, wenn einen der hoch gestimmte, ein altbackene Ton nicht stört, denn Lavater-Slomans Biographie der englischen Königin Elisabeth bietet eine Art Panorama einer Art Wendezeit – eben des endgültigen Aufbruchs Englands und Europas in die europäische Moderne. Die Gestalt, die im Mittelpunkt dieses Aufbruches steht, ist die rätselhafte Königin Elisabeth I, an deren Regierungsbeginn England ein durch Religionskriege und Wirtschaftskrisen zerrissenes Land ist, an deren Regierungsende aber schon die Weichen gestellt sind für den sagenhaften Aufstieg, der dieses relativ kleine Landes zum mächtigsten Staat der Erde. Elisabeths Zeitgenossen und Antagonisten waren ihre Schwester Mary die Katholische, der finstere Philipp II von Spanien, der im Buch ganz schlecht weg kommt, der flexible Heinrich IV von Frankreich und der aufrechte Wilhelm von Oranien – zuerst und vor allem aber die sprunghafte Königin Maria Stuart, von der man am Ende der Lektüre nicht weiß, ob es eher ihre Dummheit oder ihre Bösartigkeit war, die ihr den Kopf und Kragen kostete. Sie alle erhalten in dem romanhaft verfassten Werk breiten Darstellungsraum, werden psychologisch auf den Seziertisch gelegt und durchleuchtet – allein die große Königin bleibt immer ohne Fehl und Tadel. Sie ist „würdig“ „groß“ „intelligent“, „volkstümlich“ und was es an positiven Etiketten sonst noch geben mag. Ein Spießer, der sich darüber beklagen möchte, dass die edle Königin ihre Piraten auf die unschuldigen Menschen in der Karibik hetzte?
Als Elisabeth nach einer heiklen Jugend im Schatten des Towers 1558 tatsächlich Königin wurde, ging es jedenfalls nur noch aufwärts. Während ab 1563 in Frankreich die Hugenottenkriege toben, vermag Elisabeth I im eigenen Land die religiösen Lager der Katholiken, Anglikaner und Protestanten mit Toleranz und Geschick unter Kontrolle zu halten. Als ab 1568 Herzog Alba in den Niederlanden wütet, bietet sie den Flüchtlingen Asyl und unterstützt die Holländer insgeheim mit Geld und Waffen. Natürlich gab es auch in England Intrigen, Northhumderland und Norfolk verlieren den Kopf, aber es gab auch es auch Raleigh, der Virginia gründet, Francis Drake, der 1577 die Welt umsegelt und Lancaster, der England den Seeweg nach Indien eröffnet und damit im Jahre 1600 die Grundlagen zur Gründung der Ostindischen Kompanie legt. Höhepunkt des Buches wie auch der ganzen Epoche ist zweifellos die Hinrichtung Maria Stuarts 1587 und der anschließende Sturm der großen Armada gegen England, mit deren Untergang auch der Niedergang Spaniens beginnt. Am Ende muss noch der heiß geliebte Essex dran glauben, dann schießt die jungfräuliche Königin, von der niemand weiß, warum sie auf immer Jungfrau bleiben musste, im Jahre 1603 die Augen.
Über 500 Seiten ist der Leser der Hauptperson durch annähernd sieben Lebensjahrzehnte gefolgt. Aber hat es sich gelohnt? Wer die Weltgeschichte als einen etwas altmütterlichen Roman zu schätzen weiß, der ist mit dem vorliegenden Buch nicht schlecht bedient. Die Charaktere treten klar konturiert hervor, die Weltgeschichte kracht, die Kochen splittern, hoch spritzt das Blut, nur die edle Königin bleibt immer Herrin der Lage. Das ist vielleicht das einzige, was auch die Dauer ein wenig langweilig ist. Historische Fehler habe ich bis auf einen nicht gefunden. Dieser eine befindet sich auf Seite 15, wo behauptet wird, der Vater Karls V sei ebenfalls Kaiser gewesen, es war natürlich Großvater (Maximilian I). Aber bei alle den Großvätern und Großmüttern, deren Sprösslinge sich in diesem Buch kreuz und quer paaren, kann man auch schon mal durch durcheinander geraten.