Niemand hätte damals ahnen können, wie lange es dauern würde, bis das ferne Ziel erreicht sein würde, niemand aber hätte auch den ungeheuren Reichtum abschätzen können, der dann in das Land fließen sollte, aber erst recht hatte niemand erwartet, wie schnell der Glanz dahin sein würde. Die Rede ist von der portugiesischen Entdeckung der Gewürzroute, einem der großen Abenteuer der Entdeckungsgeschichte, in deren Verlauf ein kleines Volk am Rande Europas seinen folgenreichen Auftritt auf der Bühne der Weltgeschichte zelebrierte.
Alles begann mit dem Mangel an Gold und Silber, Muskat, Ingwer, Pfeffer und Gewürznelken im späten Mittealter, einem Mangel, an dem sich die Könige von Ägypten und Marokko und die Kaufleute aus Genua und Venedig eine goldene Nase verdienten. Was lag da näher, als einen Weg zu suchen, den Zwischenhandel auszuschalten und die lukrativen Märkte direkt anzusteuern? Es war der geniale portugiesische Prinz Heinrich, der dieses Projekt anstieß. und von seiner Seefahrerschule in Sagres aus seine Kapitäne die afrikanische Küste entlang nach Süden schickte – zuerst nach Madeira(1419), dann zu den Azoren(1429), ehe Gil Eanes das Kap Bojador, das damals bekannte Ende der Welt umschiffte (1433). Mit der dreimastigen Karavelle und dem neuen Lateinsegel, mit immer besseren Karten wird innerhalb der nächsten Jahre bis 1455 das Kap Verde, die Mündung des Senegal und des Gambia erreicht, doch der afrikanische Kontinent erweist sich als viel größer als man sich vorgestellt hatte. Auch wenn sich die Hoffnung, vom Gambia aus über den Nil auf bequemem und schnellem Weg das Reich des Priesterkönigs Johannes in Äthiopien erreichen zu können, zerschlägt, erlebt Heinrich der Seefahrer noch, dass sich die Küste Afrikas plötzlich nach Osten wendet. (1460) Ist das Südende Afrikas bereits erreicht? Pustekuchen. Heinrich ist gerade erst einige Jahre tot, als die portugiesischen Kapitäne den Äquator überqueren erkennen müssen, dass sich die Küste wieder nach Süden wendet. Selbst die gewaltigen beiden Expeditionen von Diego Cao, die ihn tausende von Kilometern weiter nach Süden bis in den Bereich des Kalten Benguela Stromes und an die Küste Namibias führen (1485), erbringen nicht die ersehnte Umrundung des Kaps. Erst eine kurz darauf von König Jao II initiierte Doppelexpedition bringt den Durchbruch. Bartholomeo Diaz umrundet in einer Hazardfahrt ohnegleichen das Kap der Stürme, das der König sogleich in „Kap der Guten Hoffnung“ umbenennt(1487), während Special Agent Pedro Covilha inkognito durch Ägypten, das Rote Meer bis zur Malabarküste nach Indien reist. Dort hält er die Augen offen so gut er kann, überquert den Indischen Ozean in Richtung Ostafrika, bereist die Suaheli Küste bis nach Sofala, ehe er nach Kairo zurückkehrt und einem Spion, der dort auf ihn wartet, die Einzelheiten über die Geographie des Großen Ostens mitteilt. Mit diesen Informationen konnte Vasco da Gama 1497-99 die Früchte von fast einhundert Jahren Forschung einheimsen und über das Kap, Malindi schließlich Kalicut in Indien erreichen.
Doch kaum war im Abendland bekannt geworden, dass die Portugiesen den direkten Weg zu den asiatischen Märkten gefunden hatten, begannen die Genueser und Venezianer bereits die Ägypter und die Osmanen aufzuhetzen, die mit Recht um ihre Gewinne aus dem Zwischenhandel fürchteten. Doch die Portugiesen schickten Flotte um Flotte um das Kap, vernichteten 1509 die ägyptische Streitmacht in der Seeschlacht von Diu und brachen das Handelsmonopol der Araber im Indischen Ozean für alle Zeiten. Mehr noch: Die Portugiesen drangen weiter vor bis nach Malakka (1511), nach China (wo aber die Angehörigen der ersten Gesandtschaft vom Mingkaiser 1521 hingerichtet wurden) und bis nach Japan und zu den Molukken. Selten in der Weltgeschichte war einem nationalen Projekt ein derart glänzender Erfolg beschieden gewesen, selten aber wurde ein Erfolg auch so schnell vertan. Mit dieser traurigen Moral von der GeschichtŽ schließt das vorliegende, ungemein interessante und spannend zu lesende Buch. Denn schon nach kurzer Zeit wurde ein großer Teil der Gewinne durch eine korrupte Kolonialverwaltung gleich vor Ort in Asien veruntreut. Der Rest, der Europa überhaupt erreichte, floss allein in die königlichen Kassen und wurden für Prunk und Konsum verausgabt. Als dann 1578 der gesamte portugiesische Adel samt Heer und König in der Schlacht von Ksar-el-Kebir in Marokko niedergemetzelt wurde, schlug Portugals Stunde. Das inzwischen fast schon wieder verarmte Land fiel an die spanische Krone und quittierte seinen Abschied aus der Weltgeschichte. Geblieben sind die grandiosen Forts in Goa und Diu, die portugiesischen Kirchen von Malakka und Macao, der Torre de Belem, das Jeronimo-Kloster und Bücher wie das vorliegende, das die melancholische Geschichte einer kleinen Nation erzählt, die aufbrach, die Welt zu verändern.