Zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert wurden in Frankreich fünf Millionen Tonnen Gestein aus der Erde geholt in 80 Kathedralen, 500 große Kirchen und Zehntausende Pfarrkirchen umgewandelt, ein Vorgang, die die gesamte Bauleistung von dreitausend Jahren ägyptischer Geschichte bei weitem in den Schatten stellt. Aber auch Deutsche, Engländer und Spanier blieben nicht untätig, wie „Bäume Gottes“ ( Goethe ) wuchsen zwischen 1050 bis 1350 die erhabenen Riesenwerke in einen Himmel, der damals noch so viel näher an den Menschen schien als heute.
Wer über dieses erstaunlichste Phänomen der Kulturgeschichte Genaueres wissen möchte, der ist mit dem vorliegenden voluminösen und großzügig ausgestatteten DuMont Kunstbuch Bestens bedient. Nach einem einleitenden Teil, in dem die Rolle der Kathedrale in der mittelalterlichen Welt beschrieben wird, folgt ein ungemein instruktiver Beitrag über die illustre Schar der Kathedralenbauer, jener technisch-wissenschaftlichen Handwerkerelite, deren über Jahrhunderte angesammelte Erkenntnisse nicht zuletzt die Voraussetzungen für die unbestrittene Vorherrschaft des neuzeitlichen Europas im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich geschaffen haben. Das Kapitel über den eigentlichen Bau der Kathedrale, über Kreuzrippengewölbe, geometrische Grundverhältnisse, Statik und Raumaufteilung, leitet über in die Vorstellung der 33 bedeutendsten Kathedralen des Mittelalters – von A wie Albi Amiens bis zu XYZ wie York. Was in diesen Kurzmonographien beschrieben wird, sollte ein jeder selbst vor Ort nachvollziehen – in Cartres, in Rouen, in Köln oder in Bourges oder wo immer es ihn mit diesem ( allerdings sehr schweren) Buch im Gepäck auch verschlagen mag.
Was aber sind die Superlative, mag sich der oberflächliche Leser fragen. Dezent, wie der Autor sein Thema behandelt, fehlen dergleichen Rankings – aus dem Text aber ergibt sich, dass die (gemessen an der bebauten Fläche ) größten Kathedralen der Christenheit in Mailand, Sevilla und Köln stehen. Das höchste Gewölbe, das je gebaut wurde ( 45,5 m) wurde ebenfalls in Köln errichtet, die höchsten Türme stehen in Ulm, Köln und Straßburg. Vielleicht hat der Autor auf diese Ranglisten verzichtet, weil seine besondere Zuneigung ganz offensichtlich den französischen Kathedralen gilt. Sie erscheinen in den Ranglisten der Superlative immer erst später, ihnen gebührt trotzdem, gemessen an der Harmonie von Stein und Glas, an der Qualität der Portalplastiken und der Stimmigkeit der Raumaufteilung ästhetisch nach der Auffassung des Autors der erste Rang.