Christoph Kolumbus gehört zu großen Entdeckers und den bekanntesten Personen der Weltgeschichte, doch was die Allgemeinheit über ihn weiß, beschränkt sich im wesentlichen auf seine erste große Reise, die zur Entdeckung der Neuen Welt führte und das Ei des Kolumbus, das gar nicht sein Ei gewesen ist, sondern eine Renaissanceanekdote, die erst später mit ihm in Verbindung gebracht wurde. Andreas Venzke hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem modernen Leser den „ganzen“ Kolumbus jenseits der Klischees vor Augen zu führen. Zwar wird man in dem Buch kaum etwas Biographisches finden, was in der großen Kolumbus-Biographie von Salvador de Madagiara nicht schon breiter thematisiert worden wäre, aber dafür entschädigt der Autor den Leser mit einer Gesamtsicht der besonderen Art. Immer wieder zieht sich der Autor gleichsam von seinem Gegenstand zurück, um den Leser über Geschichte, Geographie, Religion und Navigation des 15. Jahrhundert zu unterrichten. Wer zum Beispiel genau wissen will, wie sich Kolumbus seine Entfernung nach Indien zurechtrechnete, wie er es schaffte eine Distanz von einem halben Erdumfang auf ein paar tausend Kilometer zu reduzieren, der kommt in dem Buch ebenso auf seine Kosten, wie Leser, die nach einem Gesamtpanaroma der Entdeckungsgeschichte inklusive des gleichzeitigen und scheinbar viel erfolgreicheren Aufbruchs Portugals nach Indien verlangt. So wird man nicht nur Zeuge des Aufstieges eines genialen Dilettanten, sondern man begleitetet auch den Niederganges eines am Ende immer bigotteren, verhärteteren und letztlich unbelehrbareren Menschen. Jenseits aller Kolumbusverehrung erkennt der durchaus überraschte Leser auch die inhumanen Seiten des Entdeckers: die von ihm zuerst ins Werk gesetzte Versklavung der Indianer Hispaniolas, seine Idee gigantischer Sklaventransporte nach Europa, die selbst die Katholischen Könige empörte, und seine Gier nach Gold und Ruhm werfen in dem vorliegenden Buch reichlich Schatten auf das Bild des Entdeckers, der bis zum Ende nicht begriffen hat,. was er im Westen gefunden hatte. In dem Zufall, die dazu führte, dass der neue Kontinent am Ende auch seinen Namen nicht erhielt, steckt deswegen möglicherweise mehr Berechtigung als man hätte glauben wollen.