Ein Deutscher wird Frankreich nie ganz verstehen, soll Romanin Rolland gesagt haben, aber man sollte es doch wenigstens versuchen. Für die, die es ernsthaft versuchen wollen, bietet die vorliegende monumentale sechsbändige Geschichte Frankreiches einen Einstieg, der sich gewaschen hat. Wie schön, dass dabei auch noch ein Deutscher Historiker, F.K. Werner, den ersten Band verfasst hat, der sich von den Uranfängen dessen, was später einmal Frankreich werden wird bis zum Jahre 1000 beschäftigt.
Das, was später einmal Frankreich werden würde, bezeichnet Werner als „Hexagon“ als einen durch Atlantik/ Pyrenäen, Mittelmeer/Pyrenäen, Alpen, Rheinknie, Rheinmündung und Bretagne glücklich abgeschlossenes und klimatisch ungemein begünstigtes Gebiet ohne sonderliche Temperaturschwankungen mit extrem fruchtbaren Böden. So ist es kein Wunder, dass der Cro Magnon Mensch vor 35.000 Jahren bevorzugt in dieses gesegnete Gebiet einwanderte und gewissermaßen als erster Franzose seine berühmten Höhlenmalereien an der Dordogne hinterließ. Ihm folgten die Kelten (sie brachten die Hose mit!) , die vom Hexagon aus nach Spanien, Britannien und Italien vordrangen, bis sie ihrerseits von den Römern und den nachrückenden Germanen mächtig in die Zange genommen wurden. Cäsar war es dann, der das Hexagon zwischen 58-51 v. Chr. in das römische Reich eingliederte und mit der Etablierung der Rheingrenze erst den klaren Gegensatz von Kelten und Germanen schuf. Gallien wurde schnell romanisiert und mit einem ganzen Netz neuer Kolonien durchzogen, es erhielt Straßen, Schulen und eine stabile öffentliche Ordnung, die einen jahrhundertelangen Wohlstand garantierte, bis das im ab dem dritten Jhdt. unter den Raubzügen germanischer Völker zu leiden begann. Alemannen, Goten, Wandalen, Burgunder pomadisierten sich nicht nur ihre Haare mit ranziger Butter, sie zogen auch noch raubend und plündernd durch das fruchtbare Gallien, wurden geschlagen verjagt oder vernichtet oder – wie die linksrheinischen Franken – auch zu „foederis“ und somit schon früh durch die romanisch-gallische Lebensart beeinflusst.
Die eigentliche Vorgeschichte Frankreichs begann in diesen stürmischen Völkerwanderungszeiten, als sich der Frankenkönig Chlodwigs im Jahre 496 nach seinem Sieg über die Alemannen christlich taufen ließ, wobei Werner darauf hinwies, wie bedeutsam es war, dass diese Taufe eine katholische Taufe und keine arianische wie bei den anderen Germanenvölkern war. So ging das junge Frankenreich schon im Moment seiner Entstehung ein enges Bündnis mit der Kirche ein (Frankreich „erste Tochter der Kirche“, Salbung des Königs durch Remigius in Reims), die dem Königtum eine fast sakrale Stellung einbrachte und die später nach auf die „Nation“ übergehen sollte. Choldwig ließ sich aber nicht nur taufen, sondern ihm, und seinen merowingischen Nachfolgern gelang es durch die Siege über die die Westgoten und die Burgunder das Hexagon fast zur Gänze wieder zu vereinigen. So schufen die Merowinger, deren geschichtliche Bedeutung der Autor ungewöhnlich hoch veranschlagt, die Grundlagen für das karolingische Kaiserreich, das im 9.Jhdt. schließlich die Kernstaaten des späteren Europa – Frankreich Deutschland und Italien – vereinigte.
Das fränkische Erbfolgerecht allerdings und die Größe des Reiches führten jedoch zum Niedergang, der im Westteil des Reiches zu völliger Zersplitterung und zu einem politischen Tiefstand führt, aus dem im Jahre 1000, als gerade Hugo Capet zum ersten französischen König gewählt worden war, niemand hatte ahnen könne, was der Schöpfer mit diesem Land noch vorhaben sollte. Immerhin war des den Territorialherren noch vorher gelungen, im Jahre 911 die Normannen in der Normandie vernichtend zu schlagen und ihre Christianisierung in die Wege zu leiten.
Damit endet der erste Band, ein monumentaler Ritt durch die Jahrtausende, dem der interessierte Leser problemlos folgen kann – und das, obwohl der Autor auch die Erkenntnisse zahlreicher Nebendisziplinen wie Klimageschichte, Geographie, Archäologie, Literaturgeschichte) in die Entfaltung seines Themas mit einbezieht.