Wie eine Brücke zwischen Traum und Wirklichkeit überspannt das Schloss von Chenonceau im Tal der Loire den Fluss Cher. Umgeben von Wäldern und Gärten, gekrönt von zauberhaften Türmen und Giebeln hat es in all den Jahrhunderten seit seiner Erbauung ab 1513 kaum einen Besucher gegeben, der sich der Ästhetik dieses Bauwerkes entziehen konnte. Das Schloss aber ist nicht nur in einem fast kitschigen Sinne schön sondern auch von der Aura einer tragischen Geschichte umgeben, es ist „das Schloss der Frauen“, denen der Besitz dieses architektonischen Juwels alles andere als Glück brachte.
Die erste Besitzerin und Erbauerin von Chenonceau, Catherine Brinnouet verlor das Schloss schon nach wenigen Jahren im Austausch gegen den Erlass der Steuerschulden ihres Gatten an die königliche Finanzkasse. Die schöne und glanzvolle Diana von Poitiers musste es nach dem Tode ihres Geliebten Heinrichs II an die Königin Katharina von Medici zurückgeben, Katharina von Medici selbst verlebte im Schloss die bitteren Tage einer Regentschaft, während der Frankreich in der Blutorgie der Hugenottenkriege unterzugehen drohte. Louise von Lothringen vereinsamte nach der Ermordung ihres Gemahls Heinrichs III im Schloss, und Gabrielle dŽ Estrelle, die Geliebte Heinrichs IV starb noch bevor sie das Schloss als Geschenk ihres königlichen Sponsors Heinrichs IV überhaupt on Besitz nehmen konnte. .
Das ist im wesentlichen die Geschichte, die das kleine Buch „Chenonceaux. Das Schloss der Frauen“ erzählt, eine stürmische und wechselvolle Historie von Mord und Totschlag, Liebe und Hass, die zugleich auch als Spiegel der französischen Geschichte im 16. und 17. Jhdt. gelesen werden kann. Einige ergänzende Seiten führen die Geschichte bis in die Gegenwart fort, und man erfährt, dass nicht nur Jean Jacques Rousseau im 18. Jhdt. als Hauslehrer auf Chenonceau weilte sondern auch so illustre Gäste wie Flaubert und George Sand sich am Cher die Ehre gaben.
Was für ein Strauß reizvoller literarisch ergiebiger Motive, mag man meinen. Wie aber sind sie in dem vorliegenden Buch literarisch gestaltet? Erstaunlicherweise nicht sonderlich überzeugend. Die eigentümliche Magie und Schönheit Chenonceaus wird in dem Buch immer nur behauptet, aber nicht wirklich nachvollziehbar beschrieben, die Schilderung der Ereignisketten gleicht mehr dem Abriss eines Kunstführers als einer poetischen Schöpfung. Auch die Wertungen des Buches erscheinen reichlich eigenwillig. Die berühmte Diana von Poitiers kommt als raffgierigste Frau ihrer Zeit sehr schlecht weg, dagegen werden Katharina von Medici, eine der treibenden Gestalten hinter der Bartholomäusnacht, und ihr Sohn Heinrich III, der Mörder von Blois, mit viel Sympathie und Einfühlung geschildert. Dass das Schloss nicht „Chenonceaux“ sondern Chenonceau heißt ( nur der benachbarte Ort heißt Chenonceaux ) sei nur am Rande vermerkt.
Alles in allem also ein Buch, das seinem zauberhaften Gegenstand literarisch nicht wirklich gerecht wird und in dem von der wunderbare Poesie, die die Autorin etwa in ihren Büchern „Ich zähmte die Wölfin“ oder „Die schwarze Flamme“ entfaltet, leider kaum etwas zu spüren ist.