An Büchern, die über das Schicksal von Minderheiten klagen, besteht kein Mangel. Ist ja auch gut so. Erheblich weniger vertreten sind Bücher, in denen die Mitverantwortung der Minderheiten für ihr bedauernswertes soziales Geschick thematisiert wird. Wenn das dann auch noch so ehrlich, kraftvoll und aufrüttelt geschieht wie in „Warriors“ von Alan Duff, dann haben wir ein Buch vor uns, das Geschichte macht.
Tatsächlich hat das vorliegende Buch Neuseeland und seine Selbstwahrnehnung verändert. Keine Frage, dass den Maoris durch die Weißen Unrecht geschehen ist. Der andere Teil der Wahrheit besteht darin, dass die heute staatsbürgerlich vollkommen gleichberechtigten Maoris individuell viel zu wenig tun, um ihre Situation zu verbessern. Alan Duff, selbst Sohn eines Weißen und einer Maorifrau, aufgewachsen im prekären Milieu an der Grenze der Kulturen, hat in dem vorliegenden Buch diese Wahrheit schonungslos und schockierend aufgedeckt. Im Mittelpunkt des Romans steht Beth Heke, verheiratet mit dem arbeitslosen Jake, einem cholerischen Muskelprotz, und ihre sechs Kinder, die im Maori-Ghetto von Pine Block leben. Ihr Leben gleicht einer einzige Springprozession von Donnerstag zu Donnerstag, den Tagen an denen die Sozialhilfe ausgezahlt wird und an denen man sich wieder betrinken lassen kann. Obwohl Beth ihr Bestes tut, um ihren Kindern einen Ausweg aus diesem Teufelskreis aufzuzeigen, bleibt sie die Gefangene des Milieus. Als ihr Sohn Bogie wegen fortgesetzten Schulschwänzens der Sozialfürsorge übergeben wird, kann sie im Gerichtssaal nicht anwesend sein, weil sie am Abend vorher von ihren Ehemann Jake grün und blau geschlagen wurde. Und was macht sie am nächsten Morgen? Sie trinkt erst mal vier Flaschen Bier, und beginnt erst danch das Essen für die Kinder vorzubereiten. Noch eindringlicher als diese ersten Kapitel sind die Passagen, in denen der Leser gleichsam in Jake Hekes Innenwelt hineinschaut. „Er sah die anderen zuallererst unter dem Gesichtspunkt ihrer Schlagkraft,“ heißt es an einer Stelle über Jake, „alles andere kam später. Sogar im Fernsehen, wenn er sich irgendeine Sendung ansah, war da immer ein Kerl, bei dem er sich fragte. ob der wohl zuschlagen konnte, oder nicht. Besonders diese aalglatten, geleckten Typen mit diesen adretten Frisuren, wo nicht ein Haar falsch lag, da biss er knirschend die Zähne zusammen und wär am liebsten in den Fernseher reingesprungen und hätte diesen W… ihre hübschen Milchgesichter verdroschen“. Selten habe ich eine derart treffende literarische Veranschaulichung der Aggressionstheorie von Konrad Lorenz ( „Das sogenannte Böse“) gelesen, wie in diesem Buch. Im nächsten Kapitel wird berichtet, wie Beth einen Familienausflug plant, der daran scheitert, dass Jake in einer Kaschemme hängenbleibt, sich volllaufen lässt um anschließend das vorbereitete Familienpicknick zusammen mit seinen Kumpels zu vertilgen. Der Selbstmord von Beths Tochter Grace ist dann der Wendepunkt des Buches. Sie wird von einem der volltrunkenen Maori – ob es Jake selbst war oder ein anderer, bleibt offen – missbraucht und begeht Selbstmord.
An diesem Punkt nimmt die Handlung eine Wende, die Hoffnung erweckt, auch wenn sie dem Leser nach der ganzen Vorgeschichte unwahrscheinlich erscheint. Jake begegnet endlich jemandem, der noch stärker ist, er fliegt aus dem Haus und sinkt zum Obdachlosen und Alkoholiker herab. Beth wird trocken und organisiert in ihrer Wohnung eine Art Anlaufstelle für herumstreunende Jugendliche, lässt Maori Häuptlinge von den alten Traditionen des Volkes erzählen, um den orientierungslosen Kindern versoffener Eltern eine neu Identität zu bieten. Nut für Nigel, ihren Ältesten, kommt diese Wende zu spät. Er wird bei einem Bandenkrieg der Brwon Fists erschlagen. Mit seiner Beerdigung endet das Buch.