Es wird kaum jemanden geben, der sich nicht an seine erste Liebe erinnert, an dieses unglaublich evidente Gefühl, dass sich im Hinblick auf die Geliebte jetzt und für immer das Leben entschieden habe und dass sich niemals mehr etwas ändern könnte. Leider ist es dann bei 99,9 % der Menschen doch ganz anders gekommen, und was am Anfang nach Ewigkeit klang, ist nach Jahrzehnten nur noch eine halb nostalgisch, halb kuriose Erinnerung.
Was aber geschieht, wenn ein Mensch diese erste Liebe sein Leben lang bewahrt, wenn er nicht weniger als 51 Jahre auf die Frau seines Lebens wartet und am Ende, wenn der Ehemann eben dieser Frau von der Leiter gefallen und verstorben ist, seine Werbung als 74jähriger genau da fortsetzt, wo er sie als 23jähriger hat abbrechen müssen? Das ist der Plot des weltberühmten Romans von Garcia Marquez, den ich schon als Student gelesen habe und den ich mir im Anschluss an die wunderbare aktuelle Verfilmung wieder vorgenommen habe. Da waren sie wieder, Fernando Ariza, der schöne Doktor Urbino, fast bewundernswert in seiner stupenden Selbstverliebtheit, die schöne Fermina Daza, der statusgeile Vater, die bizarre Mutter Arizas und das ganze wunderbare Personal des karibischen Cartagena. Und auch das Garcia Marquez Feeling war wieder da, die Verzauberung durch eine Sprache, der es gelingt, die Welt, wie sie zwischen den Buchdeckeln existiert, fast noch farbiger erscheinen zu lassen als sie in der Wirklichkeit ist. Jeder wird an dem vorliegenden Roman seine besonderen Passagen lieben, die einen schätzen die hochromantischen Exaltationen der jungen Liebe zwischen Ariza und Fermina Daza, die anderen lieben die Telegraphenstaffette durch die Urwälder des kolumbianischen Dschungels im Dienste der Liebe, wieder andere bevorzugen atmosphärischen Schilderungen des karibischen Lebens im Umfeld Doktor Urbinos, der nicht die Cholera in Cartagena besiegte sondern auch noch den ersten Ballonflug Südamerikas organisierte. Und wie wunderbar ist das Bild vom stillstehenden Schiff auf dem Magdalena mit der aufgezogenen Cholerafahne als Metapher dafür, dass die Zeit stillsteht, wenn sich die Liebe erfüllt. Mich aber haben schon bei der ersten Lektüre die Szenen fasziniert, in denen Ariza und Fermina Daza nach einem halben Jahrhundert endlich zueinander finden, sich mit schrumpeligen Händen berühren und sich gegenseitig an ihren verwelkten Körpern laben. Das hört sich morbide an, ist aber im Roman mit großem Takt und Einfühlungsvermögen geschildert.
Das Buch aber erschöpft aber sich in keiner dieser Passagen, es ist viel mehr als das, ein großer Reigen des Menschlichen, in jedem Lebensalter mit Gewinn und Genuss zu lesen. Uneingeschränkt fünf Punkte für eine Sternstunde der Literatur.