Graham Greene, der weltreisende Universalautor, wird heute –wie unlängst zu lesen war – nur noch wenig gelesen und rezipiert. Dafür seien seine Werke zu traditionell geschrieben und seine Stoffe zu zeitgebunden. Aber stimmt das überhaupt? Wenn „traditionell schrieben“ bedeutet, eine Geschichte packend und mit Tiefgang zu erzählen, dann würde man vielen formal hochambitionierten Jungautoren diesen Stil liebend gerne an ihr postmodernes Herz legen. Und „zeitgezogen?“ Das ist Literatur doch immer – es kommt nur darauf an, dass sie sich darin nicht erschöpft und über die beschriebene Epoche hinausweist.
Das vorliegende Buch vereinigt diese Vorzüge in exemplarischer Weise. Es handelt von der Flucht eines katholischen Priesters durch die Dschungel und Dorfwelt Mittelamerikas nach den kirchenfeindlichen Gesetzen im revolutionären Mexiko der Zapata-Zeit. Fanatische libertäre Offiziere, die Vorfahren der GPU-Kommissare, die nur wenige Jahrzehnte später in Russland ihr grausiges Werk vollbrachten, jagen die katholischen Priester, wo immer sie ihrer habhaft werden können. Wenn die Geistlichen nicht abschwören, werden sie interniert und erschossen, wenn sie abschwören, bleiben sie eine verachtenswerte Karikatur ihrer selbst im Alltagsleben. Der Priester, der im Mittelpunkt der Handlung steht, war ursprünglich ein „schlechter Priester“ gewesen, schlecht wie die meisten Geistlichen in der vorrevolutionären Mexiko – voller Bigotterie und Selbstgerechtigkeit, an Wohlleben gewöhnt und nicht wirklich von der Nächstenliebe durchdrungen. In der Verfolgung aber wachsen „die Kraft und die Herrlichkeit“, von denen vorher bei ihnen nichts zu spüren war, ihnen zu: der schlechte Priester, der mit einer Bäuerin ein Kind zeugte, der an der Flasche hing und auf den Taufgebühren auch bei Armen bestand, entdeckt seine Sündigkeit, die Gnade des Herrn und die Möglichkeit der Vergebung. Und er entdeckt in der eigenen Not die Liebe zum Mitmenschen, das größte Geschenk, das das Christentum der Welt zu bieten hat. Für moderne Gutmenschen, die Greene für „überholt“ halten, ist das natürlich eine Geschichte von gestern. Aber das Gegenteil ist richtig: heute erstarkt das Christentum überall dort, wo es wie in islamischen Ländern oder auch in China verfolgt wird. Insofern ist das Werk von Graham Green nicht nur ungemein spannend zu lesen sondern eine exemplarische Darstellung dessen, was ein Liberaler niemals verstehen wird: dass es keinen wahrhaften Glauben ohne Not und Prüfung geben kann.