Malraux: Die Hoffnung

Malaux Die HoffnungDer spanische Bürgerkrieg (1936-39) gehört nicht nur zur unmittelbaren Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges sondern auch zu den großen biographischen Bekehrungsperioden des letzten Jahrhunderts. Am Anfang scheinbar ein eindeutiger Kampf zwischen gut und böse kamen im Laufe der immer blutigeren Auseinandersetzungen schnell die Zwischentöne zum Tragen. Nicht nur die Faschisten mordeten, auch die Anarchisten brachten Priester und Nonnen auf viehische Weise um – ganz zu Schweigen von dem Kommunisten, die das Morden im Rücken der Front perfektionierten. Eine ganze Generation europäischer Intellektueller, die durch dieses Stahlbad ging, war anschließend für immer von linkem und rechtem Totalitarismus gefeit.

Nichts davon steht im Zentrum dieses Buches. Sein Thema ist vielmehr der Abwehrkampf der spanischen Republik vom Sommer 1936, als der Franco-Putsch schon im ersten Anlauf siegreich schien, bis zum Frühjahr 1937, als sich die Fronten vorübergehend stabilisierten. Die Selbstbewaffnung des Volkes, die Belagerung und Sprengung des Alacazars von Toledo, der Fliegerkampf in der Sierra und der Kampf um Madrid sind die Hauptetappen des der Handlung –  erzählt aus der Perspektive einer ganzen Galerie unterschiedlicher Figuren, die die politischen Positionen der spanischen Linken repräsentieren und die im gemeinsamen Abwehrkampf zueinander finden.

Am stärksten ist das Buch immer dann, wenn es Episoden berichtet, in denen  individuelle Schicksale und geschichtliche Entscheidungen für einen Moment zur Deckung kommen – wie etwa im Zurückfluten der republikanischen Truppen nach der Niederlage von Toledo.  „Das Gewühl verstörter Menschen, die aus Toledo geflüchtet waren – die Milizsoldaten ohne Gewehr, die Reste der Bauernbattallionen aus Estremadura  – wogte gegen den Bahnhof von Aranjurez. Wie zusammengewirbeltes Laub, das der Wind zerbläst, liefen frisch angekommene Gruppen im Park der Kastanienbäume und der dunkelroten Rosen nach allen Richtungen auseinander  oder durchmaßen, wie Irre in ihrem Garten, die kaiserlichen Platanenalleen.“ (S. 247).

Schwächer ist das Buch in der Schilderung immer neuer Schlachten und Kämpfe, die gut und gerne die Hälfte des Romans ausmachen. Überall kracht und donnert es, so dass man schnell den Überblick verliert und nach einiger Zeit immer dann einfach weiterblättert, wenn sich eine neue Schießerei ankündigt.

Immerhin wird zwischen den Schlachten auch reichlich diskutiert, und was dabei über  Revolution und Staat, die spanische Kirche und Armee, über Reichtum und Armut, Krieg und Frieden räsoniert wird, ist durchaus interessant. Wer weiß schon, dass die ach so edlen Freiwilligen der Internationalen Brigaden von der UdSSR in Gold bezahlt wurden? Oder dass die Franco-Armee in den Dreißiger Jahren zu einem Sechstel aus Offizieren bestand, so dass der Bürgerkrieg auch ein Kampf der Mannschaften mit ihren Offizieren war. Schade nur, dass diese Einsichten und Details  literarisch vollkommen unergiebig präsentiert werden, weil die Akteure, die sie aussprechen wie etwa der  republikanische Katholik Ximenez, der Offizier Hernandez, der Flieger Leclerc, der Kommunist Manuel und viele andere mehr – nicht als Figuren aus Fleisch und Blut agieren sondern als Gedankenträger, die für die Erörterung moralischer, polischer oder ästhetischer Fragen bei Bedarf aus der Kiste springen und dann wieder verschwinden. Dass in dieser fiktiven Debatte die konservative und katholische Position selbstverständlich nicht zur Sprache kommen sondern entweder nur im Pejorativ oder unter den Sammelbegriff „die Faschisten“ firmieren, versteht sich fast schon von selbst.

Was aber ist der Ziel- und Fluchtpunkt dieser innerlinken Debatte? Wie der Titel des Buches bereits andeutet, ist es die „Hoffnung“ – und zwar die „Hoffnung“ auf eine neue bessre Welt, die nach den Geburtswehen der Revolution entstehen soll. Schade nur, dass schon auf der Linken jeder eine andere Vorstellung von dieser neuen und besseren Welt mit sich herumträgt. Das ist die Moral von der Geschicht`, die sich heute, quer zur eigentlichen Intention des Autors, achtzig Jahre nach den Geschehnissen, ergibt. Und deswegen ist der Roman auch heute noch lesenswert.

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