Baum: Liebe und Tod auf Bali

Baum Liebe und Tod auf BaliZugegeben, der Titel des Buches ist zum Abgewöhnen und lange Zeit stand dieses Buch möglicherweise ungelesen in meinem Bücherschrank. Erst als ich in diesem Sommer wieder nach Indonesien fuhr, packte ich es in meinen Rucksack um es im Land zu lesen. Und es hat mich überrascht.

Überrascht hat es mich, weil es so herrlich unzeitgemäß ist. Die Autorin springt wie in den vormodernen Zeiten des allwissenden Erzählers zwischen die Innenwelten der Protagonisten hin und her und entfaltet die Handlung als eine Melange aus Dutzenden persönlicher Perspektiven. Das mag man formal altbacken nennen, aber es liest sich großartig.

Überrascht hat es mich weiter, weil es der Autorin gelingt, dem Leser die völlig fremde Kultur und Lebenswelt Balis so plastisch vor Augen zu führen, dass er sich fast in ihr heimisch fühlt. Ich habe nur einige Wochen auf der Insel verbracht und bin weit davon entfernt, ein Bali-Kenner zu sein, aber während der Lektüre hatte ich so viel Aha-Momente des  Wiedererkennens, aber auch des Verstehens von Sachverhalten, die mir bis dahin unklar waren. Wer sich der Lektüre wirklich anheimgibt, betritt eine faszinierende geistig-moralische Welt aus Geisterglauben und Hahnenkampf, Ehre und Redlichkeit, Liebe, Hass und Frauenverbrennung, die ihn bis zum Ende gefangen hält.

2 (24)Und drittens haben mich die Charaktere überrascht, mit der die Autorin ihre Geschichte erzählt. Glaubhaft und nachvollziehbare Personen treten auf, der Fürst, der Reisbauer Pak und seine Frauen, der hinterhältige Bengek, der holländische Resident, der schöne und viel geliebte Raka, der am Ende die Lepra befällt. Sie und viele andere mehr alle spielen ihre Rolle beim Untergang des letzten freien balinesischen Königreiches unter den Kanonen der holländischen Kolonialtruppen. Eine packende, fast melancholische Geschichte, die den naiven Fortschrittsglauben westlicher Kolonialstoren enttarnt – ohne in eine Apologie der guten alten Zeiten zu verfallen.

Wie gesagt, ein herrlich unzeitgemäßes Buch, und wahrscheinlich deswegen so außerordentlich unterhaltsam und lesenswert.

 

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