Es gibt keinen Geheimdienst in der Welt, der mehr Menschen durch gezielte Tötugnskommandos aus dem Weg räumte, als der Mossad. Mit dieser Feststellung beginnt Ronen Bergmann seine enzyklopädische Reportage über den israelischen Geheimdienst – und liefert, wenngleich widerwillig, die Begründung gleich mit: weil der Staat Israel ohne exzellente Informationsbeschaffung und leider auch ohne Gegenterror überhaupt nicht mehr existieren würde. Für Verfechter des reinen Völkerrechts mag das ein Ärgernis sein, für Israel ist es eine unbestreitbare Tatsache. Der Autor selbst bewertet das nicht, er beschränkt sich darauf, dieses Faktum anhand der Geschichte des Mossad zu exemplifizieren.
Es ist eine blutige Geschichte von Mord und Totschlag, bei dem der israelische Geheimdienst nach der alttestamentarischen Maxime „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ verfährt. Der Mossad versucht zwar, anders als PL , Hamas oder Al Qaida unnötige Opfer zu vermeiden, aber wenn es hart auf hart kommt, werden auch „Kollateralschäden“ in Kauf genommen. Leider ist die Geschichte des Mossad seit seiner Gründung in den 1940er Jahren voller Kollateralschäden. Gerade in den Anfangsphasen der Staatsgründung legten sich radikale Zionisten keinerlei Zurückhaltung auf, sprengten ganze Hotels in die Luft und ermordeten britische Amtsträger. Das Motto war: Wer einen Juden tötet, den werden wir finden und umbringen. Neben der Informationsbeschaffung und der Gewährleistung von Sicherheit war also das Rachemotiv von Anfang an präsent.
Es begann damit, dass der israelische Geheimdienst im eigenen Land Nazi-Kollaborateure aufspürte und tötete. Als ehemalige Mitarbeiter am Raketenprogramm des Dritten Reiches in den 1950er Jahren nach Ägypten gehen, um in Nassers Auftrag Raketen gegen Israel zu bauen, entführen die Mossad-Agenten einen Techniker aus Deutschland, erpressen eine Liste der Namen und setzen die Deutschen so unter Druck, dass sie aus dem Raketenprogramm aussteigen und Ägypten verlassen. In den 1950er Jahren, in der Hochphase der tödlichen Bedrohung durch den arabischen Nationalismus fällt dem Mossad eine unbeschädigte Kartei aller palästinensischen Terroristen in die Hände. „Es war, als hätten die Ägypter eine Todesliste hinterlassen“ kommentiert Bergmann. „
Was den einen oder anderen Leser erstaunen wird, ist die Kooperation des Mossads mit den Geheimdiensten konservativer arabischer Länder, vor allem mit Marokko. Ihren Höhepunkt erreichte die Zusammenarbeit 1965, als es der marokkanische König einem Mossad-Team erlaubte, während eines arabischen Gipfeltreffens in Casablanca Abhöranlagen in sämtlichen Konferenzräumen und in den privaten Suiten der Staatsoberhäupter der arabischen Welt zu installieren. Die dabei gewonnenen Erkenntnis waren eine der Grundlagen für den Triumph Israels im Sechs-Tage-Krieg von 1967. Mit ins Bild gehören aber auch die schmutzigen Gegengeschäfte, etwa die Hilfe des Mossads bei der Gefangennahme, Ermordung und Entsorgung des marokkanischen Oppositionspolitikers Ben Barka. Es gab aber auch schwere Rückschläge, etwa die Enttarnung israelischer Doppelagenten, die unter schwerer Folter fundamentale Daten verraten.
Der geheime Schattenkrieg gewinnt an Intensität, als sich der Terror auf die Flüchtlingslager rund um Israel verlagert. Unabhängig von den Regierungen der arabischen Nachbarstaaten töten die Agenten der neu entstandenen PLO unter der Leitung des späteren Friedensnobelpreisträgers (!) Yassir Arafat zwischen Juni 1967 und März 1968 65 Soldaten und 50 Zivilisten. Die Methoden, die der Mossad im Kampf gegen diesen nichtstaatlichen Terror entwickelt, würden in jedem Spionagethriller passen. Bei der „Operation Hackfleisch“ gelingt es einem Mossad -Agenten eine Leiche zu spielen, so in das Hauptquartier der Feinde vorzudringen, um dann ein Massaker anzurichten. Auf diese und ähnliche Weise wird der innerisraelische Terrorismus bis 1972 weitgehend ausgerottet, wobei die dabei angewendeten Mitteln alles andere als rechtsstaatlich waren.
Als Antwort auf die Erfolge des Mossads und seiner Schwesterorganisationen weiten die Palästinenser ihre Aktionen weltweit aus. Die Ära der Flugzeugentführungen beginnt, unterstützt durch die Logistik kommunistischer Geheimdienste und sympathisierender westlicher Linker. Es folgt eine Flugzeugentführung nach der nächsten, von denen sich jede nach einem anderen Drehbuch vollzog. Trotzdem hielt der Mossad dagegen. Als ein palästinensisches Entführungskommando eine El Al Maschine nach Entebbe in Uganda entführt, näherte sich ein als Bodenpersonal verkleidetes Team der gekaperten Maschine. Unter ihren weißen Overalls trugen sie 0.22er-Beretta-Pistolen. Dann stürmten sie das Flugzeug und töteten oder verwundeten sämtliche Terroristen. Ein junger Soldat namens Benjamin Netanjahu wurde durch die Kugel eines Angreifers ebenfalls leicht verletzt.
Höhepunkt der internationalen PLO-Terror-Offensive war das Massaker an der israelischen Olympia Mannschaft 1972 in München, bei der sich die deutschen Sicherheitskräfte als völlig unfähig erweisen. Daraufhin weitet der Mossad seine Tötungskommandos auch auf das Gebiet befreundeter Staaten aus und verfolgt die Auftraggeber der Morde durch die ganze Welt. Aber auch die PLO bleibt nicht untätig. Schlauchbote landen den Küsten Israels und ermorden unbewaffnet Familien samt ihrer Kleinkinder. Busse werden gekapert und wie Rammböckle durch die Städte gesteuert. Die Israelis ihrerseits dringen in den Libanon ein und töten einen PLO Repräsentanten nach dem anderen. Nur Arafat entkommt ihnen immer wieder um Haaresbreite.
Während der Jagd nach den Mördern des schwarzen Septembers gibt es aber auch Rückschläge, Agenten werden gefangen genommen und verraten alles. Weltweites Aufsehen erregte der Mord an einem unschuldigen Araber in Lillehammer/Norwegen, der vom Mossad mit einem PLO Repräsentanten verwechselt worden war. Kein Wunder, dass der Hass immer weiter eskaliert, zumal der Einsatz von Selbstmordattentätern durch die PLO und der Sieg der islamischen Revolution im Iran die strategische Lage der Israels erschwert. Die Erfolge des Mossads wirken demgegenüber wie der Kampf gegen eine Hydra, der immer neue Köpfe nachwachsen. Am 10. Januar 1978 gelingt die Ermordung von Wadi Haddad, eines radikalen Führers der Volksfront zur Befreiung Palästinas durch vergiftete Zahnpasta. Im gleichen Jahr wird Salameh, der Chef des Schwarzen Septembers, durch eine Autobombe in Beirut getötet. Zwischen 1978 und 1980 führt der Mossad auf libanesischem Gebiet oder auf See insgesamt 23 Angriffe gegen die PLO durch, bei den etwa 130 Feinde getötet wurden. Trotzdem wird die Terrorbedrohung aus dem Libanon immer schlimmer, zumal nun auch die Geheimdienste der Nachbarländer Syrien und Irak mitmischten. Schließlich kommt es zum Angriff Israels auf den Libanon und zum Bündnis mit den christlichen Falangisten, die ein schreckliches Gemetzel in einem palästinensischen Flüchtlingslager anrichten. Schließlich muss die PLO den Libanon verlassen um sich nach Tunesien zurückzuziehen. Aber auch hier gelingt den Israelis die Eliminierung von Abu Ijad, dem zweiten Mann der Palästinenser hinter Arafat.
Der Friedensprozess zwischen Israel und Ägypten verschafft den Israelis nur kurze Zeit Ruhe. Die den Arabern im Westjordanland und im Gazasteifen gewährte Selbstverwaltung entpuppt sich als ein folgenreiches Eigentor, denn beide Regionen werden zu Brutstädten neuer Terrorzellen. Zwar is es den Israelis inzwischen gelungen, zu Jordanien, Saudi Arabien, Ägypten und dem Iran friedensähnliche Verhältnisse herzustellen, doch der Hass gegen Israel breitet sich in den verarmten arabischen Millionenmassen wie eine Seuche aus. Außerdem wird eine andere Bedrohung immer existentieller, denn der Iran arbeitet mit Hochdruck und unabhängig von internationalen Sanktionen an der Entwicklung einer Atombombe. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Rezension ist der Iran nur noch wenige Schritte von der erfolgreichen Urananreicherung und dem Bau der ersten Bombe entfernt. Dass die Israels so lange warten werden, erscheint mehr als fraglich.
Am Ende des Buches, dessen Informationsreichtum hier nur angerissen werden konnte, stellt sich die Frage nach einem Fazit, das durchaus zwiespältig ausfällt. Denn auf jeden Schlag der Israelis antwortete die Gegenseite mit einer neuen Eskalation. Der arabische Hass auf Israel richtet sich inzwischen als weltweiter Straßenterrorismus auch gegen die Mitglieder westlicher Gesellschaften. Gestörte Kriminelle stechen unter „Alluah Akbar“ Rufen unschuldige Männer und Frauen in Europa nieder, weil sie sie für die Unterstützung Israels verantwortlich machen. Das zögerliche Taktieren der westlichen Regierungen macht es für die israelische Seite auch nicht einfacher, man denke nur an die verantwortungslose Beschwichtigungspolitik der Obama Administration im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm und den immer stärkeren Rückhalt, den der Kampf gegen Israel in den linkskdominierten Zivilgesellschaften des Westens erfährt. Es sieht tatsächlich so aus, als steuere die Welt auf einen neuen, gigantischen Konflikt zwischen Israel und dem Iran zu, der diesmal eine atomare Dimension besitzen und die Welt ins Chaos stürzen wird. Das „Auge um Auge Rezept“ hat keinen Frieden gebracht, ohne dass jemand sagen könnet, wie man es hätte anders machen können.