Robert Oppenheimer ist dem breiten Publikum als „Vater der Atombombe“ bekannt. Zur Zeit ist er wegen des gleichnamigen Film von Christopher Nolan im Gespräch. Für diejenigen, die es ganz genau wissen wollen, haben Bird und Sherwin die vorliegende monumentale Biografie geschrieben.
In ihr wird der Lebensweg Robert Oppenheimer so genau nachgezeichnet, dass man am Ende gar nicht mehr weiß, ob man das alles so genau hat wissen wollen. Kein Freund, keine Freundin, kein Professor und kein Politiker, der Oppenheimers Weg kreuzte, entgeht dem Biografen. Jede Lebenswende des Physikers wird so breit gewalzt, dass man bald unwillkürlich weiter blättert, um ein wenig Drive in die Lektüre zu bekommen. Man sieht, eine reine Freude war es nicht, das Buch zu lesen. Was habe ich mitgenommen?
Zunächst: Oppenheimer war bei aller Brillanz eine zartbesaitete Natur, die Känkungen nicht ohne weiteres vergab. So wollte er einmal seinen Lehrer mit einem präparierten Apfel vergiften. Sodann: Er entwickelte nach seinem Studium eine beachtliche Kreativität, die ihm in Verbindung mit einem Schuss Charisma zur Position des Direktors des amerikanischen Atomprogramms verhalf.
Womit wir beim Hauptteil des Buches wären, dem sogenannten Wettlauf um die Atombombe mit den Deutschen, der in Wahrheit gar kein Wettlauf gewesen war, weil die Deutschen viel weiter hinten la gen als gedacht. Trotzdem erwuchs aus dieser Befürchtung die Atombombenforschungsstation von Los Alamos in New Mexiko, in der Oppenheimer an der Spitze eines ganzes Teams von hochspezialisierten Naturwissenschaftlern die erste Implosions-Atombombe konstruierte. Mit einem gewissen Erstaunen nimmt der Leser zur Kenntnis, wie viele hochbegabte Physiker damals der kommunistischen Partei nahestanden und aus welchen Gründen auch immer bereit gewesen waren, im Interesse des vermeintlichen Weltfriedens Landesverrat zu begehen. Es kann einem fast gruseln, wenn man liest, wie freizügig auch die nichtkommunistischen Wissenschaftler des Manhattan-Projektes bereit gewesen waren, mit der totalitären Sowjetunion die Konstruktionsdetails der Atomtechnik zu teilen. Präsident Truman, der den wahren Charakter des Sowjetkommunismus viel klarer erkannte als die meisten Intellektuelle, verhinderte das schlimmste, kommt aber im Buch sehr schlecht weg.
Bekanntermaßen haben die Amerikaner zwei Atombomben im August 1945 auf Japan abgeworfen und damit den Krieg beendet. Da wäre es dann gewesen, wenn Oppenheimer nicht am Ende noch unter Teilchen-Beschuss geraten wäre, weil es seiner mangelnden Achtsamkeit zuzuschreiben war, dass Sowjetspione wie Klaus Fuchs und andere den Russen wesentliche Informationen für den Atombombenbau zuspielen konnten. Insofern war das Urteil, das die amerikanische Kontrollkommission in den frühen 1950er Jahren über Oppenheimer fällte, durchaus zutreffend: ein hochbehagter loyaler Amerikaner, der sich sträflichen Leichtsinn hatte zuschulden kommen. Dieses Faktum wird in dem vorliegenden Buch sehr vorsichtig umschrieben. Die beiden Autoren sympathisieren unverkennbar mit Oppenheimerr und loben ihn für seine (folgenlosen) moralischen Skrupel.