Zu den wenig bewussten aber hartnäckigen Vorurteilen gehört die Annahme, dass die beiläufig beachteten und ansonsten meist links liegen gelassene Personen auch ihrerseits die Umwelt nur beiläufig wahrnehmen. Wen die Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis nimmt, so das diffuse Dafürhalten, der vegetiere auch seinerseits in einem halbwachen Zustand der Dämmerung vor sich hin, so dass keinerlei Disharmonien entstehen. Leider verhält es sich ganz anders. Gerade die grauen Mäuse, die niemand mit besonderen Vergnügen betrachtet, hoffen auf Aufmerksamkeit, Beachtung und Anerkennung – und das natürlich mit Recht! Eine solche graue Maus ist Mrs. Rose Dernon, eine der beiden Hauptfiguren des vorliegenden Eheromans, eine Frau mit ängstlichen, defensiven Umgangsformen, der in der Öffentlichkeit ständig die Mimik und die Gestik entgleisen, so dass ihr Ehemann Hubert sich für sie in Grund und Boden schämt, wann immer sie gemeinsam auftreten. Da aber auch er selbst als angestellte Textilwarenverkäufer in Dublin nicht gerade der kommunikative Kracher ist, verläuft das Leben der Dernons im Halbschatten der Nichtbeachtung, der Gewohnheit, aber auch der krankhaft gesteigerten Sensibilität im Hinblick auf die Unerheblichkeiten des anderen, vor denen es in einer Ehe keinerlei Entrinnen gibt. In sechs Geschichten beschreibt die irische Autorin Maeve Brennan dieses traurige Eheleben der Dernons von der Freiung bis zum Tod der Frau, und was es dabei zu lesen gibt, ist stilistisch ausgereift, wahrhaftig, akribisch genau aber auch unendlich traurig. Nur die Bettler beachten Mrs. Dernon, die nach dem Auszug ihres einzigen ebenso kümmerlichen Sohnes John nur noch dahinvegetiert, während der Ehemann der innernen und äußeren Verkalkung entgegendöst. Als Rose Dernon dann endlich stirbt, weint Hubert Dernon – nicht aus Schmerz über den erlittenen Verlust sondern aus Trauer darüber, ein solch leeres Leben gelebt zu haben.