Calvino: Der Baron auf den Bäumen

Zu den Vorzügen des Reisens gehört die Bekanntschaft mit neuen literarischen Welten. Ich lese dann meist Autoren des Landes, in dem ich mich gerade befinde. Dieses Mal begegnete ich Italo Calvino (1923 bis 1985), einem italienischen Schriftsteller, von dem ich schon viel gehört, aber  nichts gelesen hatte. Ich hatte sein Buch „Der Baron auf den Bäumen“ mit auf die Reise genommen. Seine Sprachmelodie und die  luziden Charakterisierungen waren die reine Lesefreude –  der eigentlich Plot, der junge Baron, der aus Protest gegen den Vater und die Welt nur noch auf den Bäumen leben will,  kam mir auf Dauer etwas unergiebig vor. Reizvoll aber war es, an der Seite des Autors in die italienischen Verhältnisse des späten 18. Jahrhunderts einzutauchen, eine Zeit in die italienische Adelige in kleinen Landhäuser lebten, die Buben aus dem Dorf die Kirschen stahlen und sich die großen Neuerungen der bevorstehenden sozialen  Revolution erst ganz langsam ankündigten. Calvino entstammte ursprünglich als linker Autor dem antifaschistischen Widerstand des Zweiten Weltkrieges, wandte sich aber später vom Kommunismus ab und wurde zu dem, was man etwas ungenau einen „bürgerlichen Schriftsteller“ nennt. Ein Beispiel für so viele, die in ihrer Jugend Gewalt predigten und später Märchen sammelten.