Geplant war das größte Kriegsschiff der damaligen Welt, ein Gigant der Meere, der seine Gegner in Grund und Boden kanonieren sollte: die „Vasa“, das Symbol der schwedischen Großmacht, die sich anschickte, den gesamt Ostseeraum zu beherrschen. Der Bau des 65 m langen, 12 m breiten und samt Mast 50 m hohen Schiffes war 1625 von König Gustav II Adolf zwei holländischen Privatunternehmen übertragen worden. Über drei Jahre hatte es gedauert, ehe das Schiff mit seinen verschiedenen Hölzern, zehntausenden von Nägeln und Schrauben und fünfzig Kanonen auf mehrere n Docks fertiggestellt und zusammengebaut worden war. Dann war es endlich soweit. Obwohl erste Tests ergeben hatten, dass das Schiff wegen seiner Höhe eine gefährliche Instabilität aufwies, drängte der verantwortliche Admiral am 10. August 1628 zum Stapellauf. Vier von zehn Segeln waren gesetzt, die Kanonenluken waren geöffnet, und es wurde kräftig Salut geschossen. Doch schon die erste Böh warf das Schiff zur Seite, Wasser drang durch die geöffneten Luken in das Schiff, und die stolze Vasa versank sang- und klanglos vor der Küste von Skeppsholmen. Dreißig bis fünfzig Menschen ertranken, der Rest konnte sich retten.
Nachdem die meisten Kanonen schon im 17. Jahrhundert geborgen werden konnten, war das Schiff ab dem 18. Jahrhundert zunächst in Vergessenheit geraten. Erst 1956 hatte der Hobbyforscher Anders Franzen, unterstützt von dem Taucher Per Edwin Fälting, die Stelle wiedergefunden, an der das Wrack auf dem Meeresgrund lag. Fünf Jahre dauerten von nun an die komplizierten Arbeiten unter Wasser, ehe das Schiff im April 1961, von Winden gehoben, langsam wieder aus dem Wasser gezogen werden konnte. Danach wurde das Wrack 17 Jahre mit Konservierungsmitteln behandelt und neun Jahre bei optimalen Temperaturen getrocknet Zwischen 1986 und 1990, nachdem unzählige weitere Bruchstücke und Fragmente geborgen worden waren, wurde Schiff als Ganzheit wieder zusammengesetzt. Zum Abschluss des generationenübergreifenden Projektes wurde rund um das rekonstruierte Schiff ein eigenes Museum bebaut. So entstand das Vasa-Museum, heute das meistbesuchteste Marinemuseum der Welt.
Der Eintritt ins Museum kostete etwa 17 Euro, und dafür gab es jede Menge zu sehen. In zwei Sälen wurden die Besucher auf Englisch und Schwedisch zunächst über die Geschichte des gesunkenen Schiffes informiert. Aber kaum jemand hielt sich lange vor den Leinwänden auf, denn der Anblick des Originalschiffes war atemberaubend. So groß hatte man sich die Schiffe des 17. Jahrhunderts nicht vorgestellt. Am meisten erstaunte mich zweierlei. Erstens die Höhe des Schiffes, die maßgeblich zu seiner Instabilität beigetragen hatte und die künstlerischen Ausschmückungen der Schiffswände. Die Vasa war der Stolz der schwedischen Krone. Sie sollte offenbar nicht nur als Kriegsschiff, sondern auch als mobile Kunstausstellung die Meere befahren.
Die Skelette der ertrunkenen Seeleute, die nach und nach zusammen mit den Wrackteilen an die Meeresoberflüche geschafft worden waren, hatte man mit allen Finessen der modernen Wissenschaft untersucht. Dabei wurden ihre Gesichter so naturgetreu rekonstruiert, als wären sie gestern noch lebendig gewesen. Aus der Untersuchung ihrer Knochen hatte man Details über ihre Krankheiten und ihre Ernährungsgewohnheiten erfahren. Anhand der Werkzeuge und Detailausstellungen, die rund um das Schiff präsentiert wurden, konnten sich die Besucher über die Arbeiten auf die Werften, das Leben an Bord und die Konservierungstechniken informieren. Auf einer der sieben Etagen, von denen aus man das Schiff betrachten kann, war ein Miniaturmodell der Vasa aufgestellt, das das Schiff im Querschnitt mit seinen hundert Gängen und Kajüten zeigte. Wenn man bedenkt, dass 450 Personen (Zwei Drittel Soldaten, ein Drittel Seeleute) als Stammbesatzung mit der Vasa über die Meere segeln sollten, konnte einem vor den Strapazen des täglichen Lebens unter Deck nur grausen. Je sieben Mann schliefen Hals an Hals zwischen zwei Kanonen und aßen aus dem gleichen Pott. Der Barbier des Schiffes war zugleich der Arzt aktiv, der nach der Schlacht und ohne Betäubung im Bedarfsfall die Glieder amputierte. Seuchen und Krankheiten waren natürlich an der Tagesordnung.
Wir blieben den ganzen Tag im Museum und versuchten vergeblich, von einer der Etagen das Schiff als Ganzes in den Blick zu bekommen. Es gelang uns nicht. Eine schöne Versinnbildlichung dafür, dass das man nicht immer in Gänze das verseht, was man sieht. Ein Rest von Staunen bleibt immer