De Lillo: Cosmopolis

Wenn es zum Wesen der modernen Malerei gehört, dass das Dargestellte hinter abstrakte Konturen und Farben zurücktritt, so gilt das auch für einen bestimmten Strang des modernen Romans. Die eigentliche Handlung tritt zurück zugunsten von Reflektionen und des Raisonement, Der Leser schaut in die Innenwelt des Protagonisten wie in einen doppelten Spiegel, der ihm die Welt in einer charakteristischen Brechung zeigt, wobei die Handlung im Grunde keine Rolle mehr spielt, was manche allerdings als ein Verlust an der Ambitionen des Romans begreifen.

Dies vorausgeschickt, ist Don DeLillos Roman „Cosmopolis“ ein exemplarisches Beispiel für diese Art der Literatur. Inhaltlich geht es in „Cosmopolis“ um die Rolle des Individuums in der postmodernen globalisierten Welt. In einer geradezu verstörend brillanten Sprache beschreibt DeLillo einen Tag im Leben des  Börsenspekulanten Eric Parker in New York. Es ist ein Tag, an dem er wegen einer unvorhergesehenen Aufwertung des Yen sein Vermögen verliert, während er in  seiner Stretch-Limousine durch das verstopfte New York fährt, eine anarchistische Demo erlebt, bei der Beerdigung einer Rap Größe weint und seinen Leibwächter erschießt-  kurz bevor er selbst ermordet wird. Am Ende ist Parker pleite und tot. Jedem Leser ist selbst überlassen, ob er das für eine Prognose hält.

Wie schon erwähnt geschieht ansonsten wenig in dem vorliegenden Roman, aber jede Seite ist ein sprachlicher und intellektueller Genuss. Wenn die Metapher nicht so schief wäre, würde ich sagen, die Sätze, Metaphern und Gedanken kommen aus einer literarischen Drei-Sterne-Küche, von denen man nicht genug bekommen kann. Ich habe noch keinen zeitgenössischen Roman gelesen, der  den rasenden Taktschlag der Zeit, seine Sehnsüchte und Abgründe derart genau widerspiegelt wie es in dem vorliegenden Buch gelingt. Genial und nobelpreiswürdig. Zusatzbemerkung: noch intensiver ist das Vergnügen des Lesers, wenn er sich das Werk als Hörbuch in der kongenialen Lesung des Robert De Niro-Synchronsprechers Christian Brückner zu Gemüte führt. Hier findet ein meisterlicher Roman eine meisterliche Stimme.

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