„Die besten Frauen sind bekanntlich die, von denen am wenigsten gesprochen wird,“ schrieb I. F. Neigebauer, der erste Biograph von Eleonore d’Olbreuse im Jahre 1859. So verwundert es nicht, daß das Schicksal der letzen Herzogin von Braunschweig-Lüneburg-Celle einer breiteren historischen Öffentlichkeit bislang gänzlich unbekannt geblieben ist – und dass, obgleich sie es als Sproß eines verarmten hugenottischen Adelsgeschlechtes in einem turbulenten Leben immerhin zur Großmutter Georgs II von England und zur Urgroßmutter Friedrichs des Großen brachte.
Doch nicht nur, wer sich für die Geschichte einer beeindruckenden Frau in vorfeministischen Zeiten interessiert, wird in dem vorliegenden Lebensportrait der Eleonore d`Olbreuse eine frauengeschichtlich ergiebige Lektüre finden – auch der allgmeingeschichtlich Bewanderte kann über religions- und machtpolitischen Details, dynastische Verwicklungen und höfische Tragödien des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts manch Neues aus dem vorliegenden Buch lernen. Denn es ist nicht das Schlechteste, eine Epoche aus der Perspektive einer im Jahre 1639 in Frankreich geborenen jungen Frau kennenzulernen, die als Kind auf den väterlichen Feldern wohl noch die Schafe hat hüten müssen, die sie es mit Liebreiz und Charme schnell zur Hofdame brachte und schließlich im Alter von gerade einmal 20 Jahren am Hof Ludwigs XIV manch unmoralischem Angebot zu widerstehen wußte. Auf einer Reise durch Deutschland verliebten sich dann gleich zwei Herzöge des Hauses Braunschweig-Lüneburg in die anmutige Frau, von denen Eleonore d’Olbreuse schließlich Herzog Georg-Wilhelm aus Liebe erwählte und ihm in einer über vierzigjährigen Ehe in Treue und Hingabe verbunden blieb. Es waren vierzig Jahre einer wahren Wendezeit, in der die Eruptionen der französischen Hugenottenvertreibung und die Glorious Revolution in England ganz Europa erschütterten, in der die französische Expansionspolitik am Widerstand einer österreichisch-englischen Allianz zerbrach und die gleichsam nebenbei als Fußnote der Weltgeschichte den Aufstieg der Schwesterlinie Calenberg/Hannover zur Kur-und Königswürde mit sich brachte. Auch von privaten Tragödien blieb die allseits beliebte Herzogin von Braunscheig-Lüneburg nicht verschont: Eleonores Tochter Sophie Dorothea, aus Staatsräson in eine unglückliche Ehe mit dem menschlich widerwärtigen Kurfürst Georg-Ludwig von Hannover, dem späteren englischen König Georg I, getrieben, versuchte aus dem Elend einer unerträglichen Ehe in die Liebesbeziehung zum schwedischen Grafen Philipp von Königsmarck zu entfliehen, eine tragische Liaison, die dem Liebhaber das Leben kostete und als deren Konsequenz die unglückliche Tochter, immerhin die Großmutter Friedrichs des Großen, ab 1694 bis an ihr Lebensende noch 32 Jahre lang im Wasserschloß Ahlden gefangengehalten wurde. Als Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg 1705 verstarb, verbrachte Eleonore d’Olbreuse ihre letzten Jahre als Herzogin-Witwe erfolglos damit, sich für ihre gefangene Tochter Sophie Dorothea einzusetzen, ehe sie am 5. Februar 1722 in Celle verstarb. Ein Buch, das man ein wenig wehmütig aus der Hand legt, weil es der Autorin Renate Du Vinage gelungen ist, stilsicher und episch aus der Perspektive einer tapferen Frau das Panorama einer ganzen Epoche zu entwickeln, ohne sich wissenschaftliche Blößen zu geben.