Ellis (Hrg.): Mit Büchern leben

Zum Geburtstag erhielt ich von meinen Lesefreunden das vorliegende Buch „Mit Büchern“ leben“ geschenkt, einen prachtvollen Bildband über „Buchliebhaber und ihre Bibliotheken.“ Das Buch ist in sechs Teile gegliedert. Im ersten Kapitel „Eine große Passion“ werden bedeutende Büchersammler vorgestellt. „Bezaubernde Bücherlandschaften“ lautet die Überschrift des zweiten Kapitels. In  „Profimagazine“ ( Kap. 3 ) sprechen Architekten von ihren Ideen für den Aufbau einer Bücherei. Kapitel 4 behandelt die verschiedenen Varianten der optimalen Regalwand, Kapitel 5 dreht sich um „Bücherhöhlen“ und  im 6. Kapitel „Häusliche Leseinseln“ werden private Sammlungen vorgestellt

Um die Wahrheit zu sagen: sonderlich unterschiedlich sind die Objekte, die in den einzelnen Kapiteln gezeigt werden, nicht. Immer handelt es sich um schicke Bücherwände, dazu reichlich Bücherstapel, die auf Hockern und Tischen liegen, um Plüschsessel oder Liegen, auf denen die Lesefreunde ein Buch studieren und um eine unübersehbare Masse von Nippes und Bildern, die reichlich brutal mitten in oder über die Bücher platziert werden.

Die Reproduktionen in all diesen Kapiteln sind allerdings uneingeschränkt erstklassig. Selten hat man Bücher als Dingobjekte in ihrer Massierung so ansprechend fotografiert gesehen wie in dem kostbar und aufwendig aufgemachten Werk von Estelle Ellis und ihren Mitherausgebern. Aber als leidenschaftlicher Leser von Bücherinhalten sei mir doch ein zarter Einwand gestattet. So prachtvoll das Buch als Blickfang oder gestaltendes Raumelement beschworen wird, über das Buch als Gegenstand von Phantasie und Inspiration, über die Magie des Lesens ist in dem Buch außer plakativen Beschwörungen fast nichts zu erfahren. Stattdessen werden sämtliche nur denkbaren Marotten ausgebreitet, die ein wohlhabender Geist mit dem Buch als physikalischem Objekt anstellen kann. So möchte einer der Bücher-Prominenten seine Bücher am liebsten immer nur in der Badewanne lesen, ein anderer will die Bücherrücken nicht ständig sehen, weil sie ihn zu stark stimulieren, weswegen er sie hinter Schiebewänden verbirgt. Ein Dritter lässt seine Bücher, der besseren Optik wegen  unisono in rote Buchrücken einschlagen, ein Vierter bevorzugt es, seine Bücher in langen Gängen aufzustellen und sie in leeren Sälen zu lesen, ein Fünfter hat sich Rundregale erbauen lassen, bei denen kein Buch höher als der Bauchnabel steht. Und so weiter. Und so weiter.

Man sieht, der Kauzigkeit der Bücherfreunde sind keine Grenzen gesetzt, das ist amüsant und wie schon gesagt erstklassig fotografiert. Aber ob all diese Damen und Herren, die sich in dem vorliegenden Coffee Table Book so erhaben über ihre Bücherleidenschaft auslassen, auch wirklich große Leser sind, da habe ich meine Zweifel. Der Rolling Stone Keith Richard zum Beispiel, der in dem vorliegenden Buch allen Ernstes als Bibliophiler vorgestellt wird, liegt unter zwei kümmerlichen Bücherwänden auf einem Sofa und spielt Gitarre. Viele der anderen Bücherfanatiker sind überhaupt nicht lesend zu sehen, der Herzog von Devonshire liegt auf seinem Sofa und pennt.

Trotzdem will ich das Buch natürlich nicht niedermachen ( ich habe es schließlich geschenkt erhalten ). Aber es entfaltet seinen eigentlichen Wert doch eher als Stimulans zum Widerspruch. Denn jeder wirkliche Leser, der das Buch hat beim Studium des vorliegenden Werkes ein wenig den Verdacht, dass derjenige, der seine Zeit damit verbringt, alle Bücher farblich gleich einzuschlagen, nachher keine Zeit mehr findet, sie auch zu lesen.

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