Aus welchen Gründen lesen Menschen Romane? Aus Langeweile? Oder um Wahrheiten zu erfahren, die ihr Leben verändern? Aus Zufall oder Neugierde? Oder aus einer Veranlagung heraus, die sie veranlasst, von Zeit zu Zeit, den Trubel der Welt zu verlassen und sich mit einem Buch in die Einsamkeit zurückzuziehen?
All diese Gründe mögen zutreffen. Aber einer fehlt noch, über die merkwürdigerweise wenig gesprochen wird: Man liest Romane, um sich zu amüsieren, um sich unterhalten zu lassen. Oder, um es etwas emphatischer zu sagen, um vom Tisch des Lebens in der Fantasie zu naschen. Manch einer mag bei dieser Motivation, die Nase rümpfen, und liegt doch völlig falsch. Denn genau mit dieser Motivation beginn das Lesen schon im Kleinkindalter und endet erst am Rande des Todes, wenn dem Leser das Buch (oder das elektronische Lesegerät), aus der Hand fällt.
Ein solches Buch, das amüsiert und unterhält, ist der vorliegende kleine Roman „Der schlauste Mann der Welt“ von Andreas Eschbach. Ein glücklicher Zufall hatte ihn mir in meine Leseecke gespült, und ich habe ihn mit großer Freude gelesen. Er ist mir vorzüglich gekommen und hat mich heiter und zufrieden zurückgelassen.
Worum geht es? Es geht um einen jungen Mann, den es im Alter von 18 Jahren nach Indien verschlägt, weil er zu Hause nicht weiß, was er mit sich anfangen soll. Schon dieser Anfang sprach mich an, denn mir war es ähnlich ergangen. Dabei lernt der junge Mann durch einen Zufall das Luxusleben in einem Hotel in Mumbai kennen und beschließt, dass das die Art und Weise sein solle, in der er sein künftiges Leben verbringen wollte. Ein weiterer Zufall, eine Datenmanipulation, die ihm eine Millionen Überweisung einbringt, macht ihn zum reichen Mann, was ihm ermöglicht, über 33 Jahre ein Leben in Saus und Braus zu führen. Er reist von einem Luxushotel zum nächsten nach Java, New York, Tokio, Toronto, Madagaskar, in die Südsee und in jede nur denkbare Ecke der Welt. Er erlebt und genießt jeden Tag glücklich und zufrieden, bis Ihn die Nemesis ereilt, und zwar die Nemesis in Gestalt der Liebe. Er folgt einer bildschönen Frau auf eine Vanilleplantage in Madagaskar und wird von ihr um sein gesamtes Vermögen gebracht. Angesichts drohende Armut quartiert er sich letztes Mal in ein Wiener Luxushotel ein, beschreibt die Geschichte seines Lebens und beschließt sich an dem Tag, an dem die Zimmerrechnung kommt, vom Balkon zu stürzen. Soweit kommt es aber nicht. Warum nicht, soll an dieser Stelle nicht verraten.
Am Ende legte ich das Buch zufrieden und erheitert aus der Hand, und mir war, als klinge die Schöne und geschliffene Sprache in mir nach. Ich gewährte ihm seinen neuen Stammplatz in meiner Bibliothek unter „E“. Dort steht es nun unscheinbar zwischen Enzensberger und Fallacci und hat mir doch viel mehr Freude gemacht als diese bekannteren Autoren. Hat es mich auch belehrt? Ja, aber auf eine unaufdringliche und angenehme Weise, die wir ein kaum wahrnehmbarer Schatten der Unterhaltung hinterher segelte. Was kann man von einem Buch Besseres sagen?