Nur wenige Jahre nach dem Tode des großen britischen Psychologen Hans Jürgen Eysenck scheint sein Werk fast vergessen. Sein Insistieren auf wissenschaftlicher Nachprüfbarkeit, sein nüchternes empirisches Ethos eignet sich nicht für eine Psychologie, die sich in ihren populären Formen immer mehr zu Freizeitunterhaltung verkommt und in ihren wissenschaftlichen Varianten immer unverständlicher wird.
Dabei stellt Eysencks Werk ein Beispiel dafür dar, wie beide Elemente, Verständlichkeit und strenge Wissenschaftlichkeit, verbunden werden können – gut sichtbar an dem vorliegenden Werk über „Sexualität und Persönlichkeit“. Was hat uns der Autor zu diesem Thema zu sagen?
Auch wenn die komplexen Methoden und Überlegungen hier im Einzelnen nicht wiedergegeben werden können, sieht der Autor die menschliche Sexualität als ein Zusammenspiel von Biologie und sozialer Umwelt. Seine faktorenanalytisch abgestützten Forschungen erweisen zunächst die Existenz einer zweigipfligen Verteilung der relevanten Phänomene , d. h. innerhalb der biologisch nachweisbaren Verhaltensdispositionen existiert ein biologisch außerordentlich aktiver Typ, den Eysenck Libido + nennt und ein biologisch eher weniger aktiver Typ (Libido – ). Soweit so interessant, und jeder mag sich fragen, zu welchem Typ er selbst gehört. Kreuzt man diese beiden biologischen Varianten mit den beiden vorherrschenden soziologisch feststellbaren Verhaltensvarianten (eher monogan, eher polygam), dann ergibt sich folgendes aufschlussreiche Vierfelderschema:
(1) BIOLOGISCH AKTIV (LIBIDO +) EHER MONOGAM Der Ehemann, der chronisch fremdgeht
(2) BIOLOGISCH AKTIV (LIBIDO +). POLYGAMES VERHALTEN Der promiskuitive Single mit seinen One Night Stands
(3) BIOLOGISCH WENIG -AKTIV (LIBIDO-) + EHER MONOGAM Der ruhige zufriedene Ehemann, der treu ist und dem der gelegentliche Sex einmal im Monat reicht
(4) BIOLOGISCH WENIG -AKTIV (LIBIDO-) + EHER POLYGAM Der Schützenjäger, der sich über seine eigene Unlust am Sex zwar wundert, es aber aus Geltungssucht trotzdem treibt
Wer kennt nicht einen dieser vier aufschlussreichen Typen? Wobei ich die beiden „widersprüchlichen Typen“ am interessantesten finde, d.h. die Personen, bei denen biologische Grundausstattung und sozialer Vehaltesstandard nicht übereinstimmen. Der verheiratete Schürzenjäger wurde bereits hinlänglich thematisiert, wie aber steht es um den Womanizer, der im Ernstfall unter Erektionsstörungen leidet und die Zigarre auspacken muss ? Fragen über Fragen, zu denen Hans Jürgen zahlreiche interessante Denkanregungen liefert.