Fleischauer: How Dare you?

Jan Fleischauer  ist ein Ausnahmejournalist mit einem interessanten Geschäftsmodell. Im Unterschied zur weit überwiegenden Mehrheit seiner Zunft betätigt er sich seit seinem Erfolgsbuch „Unter Linken“ nicht als Hofberichterstatter, sondern übt als kritischer Geist Kritik an den Irrsinnigkeiten des bundesrepublikanischen Politikbetriebes, wobei er kein Blatt vor den Mund nimmt:  „Wir sind heute Zeugen einer Entwicklung, die man als Selbstabschließung eines geistigen Milieus bezeichnen könnte, das für das intellektuelle Klima in Deutschland seit Langem bestimmend ist. Eine ganze Generation hat sich entschieden, nur noch mit Leuten zu verkehren, die so denken wie sie selbst.“

Starke Worte, für die er in dem vorliegenden Buch jede Menge Beispiele bietet. Ein vorzügliches Beispiel für diese These bietet der Genderismus. : „Tatsächlich hat kaum eine Disziplin eine solche Karriere hingelegt wie die Gender-Wissenschaften, wobei man von Wissenschaften im engeren Sinne eigentlich nicht sprechen kann. Keine der vorgetragenen Thesen hält einer Überprüfung durch die Biologie oder die Neurowissenschaften stand. Im Grunde funktionieren die »Gender Studies« wie Homöopathie. Es existiert eine Reihe von Hypothesen und  Annahmen, die nicht durch das Prinzip von Bestätigung oder Falsifikation, sondern allein durch Wiederholung Wahrheitskraft erlangen. Dennoch gibt es inzwischen in Deutschland über 150 Lehrstühle.“

Kein Wunder, dass die Neue Rechte wächst. Meint Fleischauer. Ihr Wachstum aber, so der Autor, ist maßgeblich der arroganten Verachtung geschuldet, die den einfachen Leuten von den Linken entgegengebracht wird. Diese folgen dem Motto: „Sei schlau, bleib im Überbau“ und machen sich ein gutes Leben.

Wie diese Herrschaft der neuen Linken funktioniert, verdeutlicht Fleischauer bei einem Gespräch mit Jakob Augstein:  „Wenn ich jetzt zynisch wäre, würde ich sagen, der Kapitalismus hat der modernen Linken ein Spielfeld zugewiesen, eine Art Spielplatz, wo es heißt: Hier könnt ihr euch austoben. Hier ist eine Rutsche, da ist ein Sandkasten, und da könnt ihr euch gegenseitig mit Förmchen bewerfen. Aber das bleibt schön eingezäunt, und draußen, wo die wirkliche Welt ist, da bestimmen weiterhin wir die Spielregeln. Da habt ihr nichts zu suchen.“ Daraus folgt für den Autor: „Wenn überhaupt, dann schreibe ich aus einem Akt der Notwehr heraus auf die Zumutungen und den Blödsinn, dem ich mich tagaus, tagein ausgesetzt sehe.“

Donnerwetter, denkt der Leser. Dieser wackere Jan Fleischauer! Leider ist das aber nur die halbe Wahrheit. Denn bei aller oppositionellen Gesinnung, die der Autor wie ein Markenzeichen vor sich herträgt, achtet er doch stets darauf, den Bogen nicht zu überspannen. Bestimmte Grenzen darf auch er nicht überschreiten, bestimmte Feindbilder wie die AfD muss er von Zeit zu Zeit bedienen, sonst ist der Ofen aus dem tapferen Schneiderlein. Dass Fleischauer diesen Kotau vor dem Mainstream das in letzter Zeit in verstärktem Maße vollzieht, hat seinen Ruhm etwas verdunkelt.

 

 

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