Follett: Die Kinder von Eden

Die guten alten Zeiten sind vorbei, und sogar die Hippies sind nicht mehr, was sie mal waren. Die „Kinder von Eden“, die in einem abgelegenen kalifornischen Tal Wein anbauen, leben in  regulären Familien, atmen saubere Luft, essen gesund, meditieren, arbeiten und wollen einfach nur von einer Gesellschaft in Ruhe gelassen werden, in der ein jeder auf eine andere Weise gescheitert ist.   Sie gleichen mehr einer eigensinnigen  Landgemeinde als etwa einer Hippiekommune wie sie T.C. Boyle in „Drop City“ beschreibt,  und die Hauptpersonen dieser emanzipatorischen Winzergemeinschaft agieren durch und durch bürgerlich. Priest, der Führer der Kommune will herrschen und keinerlei Regeln anerkennen, die er nicht selbst gesetzt hat, Star, seine Lebensgefährtin ist eifersüchtig auf Priests neue Favoritin Melanie, und die gemeinsame Tochter Flower schlägt aus der Art, weil sie sich nach Konsumartikeln  verzehrt. Über diese Verbürgerlichung der Hippiewelt hätte man gerne mehr gelesen, doch genau das ist nicht Folletts Thema. Ken Follett hat vielmehr  eine Art Ökokrimi geschrieben und sich dabei ersichtlich  mehr in die Geheimnisse der Seismologie als in die der alternativen Lebensformen vergraben. Was also  ist der Plot? Ein Staudammprojekt droht das Tal der Kinder von Eden zu überfluten und das gute Leben in der Enklave zu beenden. Gegen diese Vernichtung ihrer Lebensformen setzen sich Priest, Star und die ausgeflippte Seismologin Melanie mit einer beachtlichen Strategie zur Wehr: sie  drohen der kalifornischen Regierung mit der Erzeugung von Erdbeben, falls sie nicht  einen  Baustopp für alle Atomkraft  verkündet. Wie der Bau der Atomkraftwerke mit der Unweltverschmutzung zusammenhängt, bleibt dem Leser zwar schleierhaft, aber das macht nichts, denn der Roman entwickelt auf dem Hintergrund dieser Ausgangslage  eine beachtliche Dynamik.  Priest entwendet  als Arbeiter einer Bergwerksgesellschaft einen „seismischen Vibrator“, eine Art Maschine, die in der Lage ist, Bodenvibrationen zu erzeugen und damit innerhalb bestimmter „seismischer Fenster“ in besonders instabilen geologischen Regionen des südlichen Kaliforniens  Erdbeben hervorzurufen. Zweimal gelingt diese künstliche Erzeugen von Erdbeben,  bis im Vorfeld des dritten und finalen Bebens der böse Priest und seine Rasselbande von der tüchtigen FBI Agentin Judy Maddox zur Strecke gebracht werden. Das liest sich auf 500 Seiten durchaus unterhaltsam und mitunter auch ganz informativ. Die Sprache ist handwerklich absolut gediegen, das Personal überschaubar und durch griffige Charakteristiken gut identifizierbar. Gut und böse sind nicht gar zu plump verteilt, was ja für einen Krimi schon eine ganze Menge ist. Follett Fans können sich sogar über einige poetologische Innovationen freuen. So werden  am Beginn des Romans die  Zeitebenen vermischt, aber nur ganz vorsichtig und so moderat, dass keinerlei Irritationen auftreten können. Außerdem lassen innere Dialoge in Kursivschrift, die über das ganze Buch verteilt sind, den Leser gleichzeitig erkennen, was der jeweilige Akteur in Wahrheit denkt, auch wenn er etwas ganz anderes sagt. Das erspart dem Leser,  sich selbst zu fragen, wie es in der Innenwelt der Protagonisten wohl wirklich aussieht.  Toll.