Richard Ford, der in seinen Büchern „Der Sportreporter“, „Unabhängigkeitstag“ und „Die Lage des Landes“ über mehrere Jahrzehnte hinweg das moderne Amerika am Beispiel seiner Kunstfigur Frank Bascombe beschrieben hat, erzählt in diesem Buch wirklich von seinem Leben und seiner Familie. Nach Auskunft des Autos ist es zwar in erster Linie eine Geschichte über seine Eltern, aber die gewinnen zu großen Teilen ihre Kontur in Beziehung zu ihm. Die amerikanische Lebenswelt ist hier also nur die Kulisse für eine einfühlsame, möglicherweise exemplarische Elterngeschichte aus der Perspektive eines Sohnes.
Das Buch beginnt mit einem Porträt seines irischen Vaters, einem „noch nicht erprobten“ Mann mit „langer irische Lippe“, der „zur Freundlichkeit geboren“ war. Zusammen mit seiner hübschen agilen Frau reisen die beiden in den 1930er Jahren als Handelsvertreter durch die Südstaaten der USA und sind auf eine einfache, elementare Weise glücklich. Die Art, wie Richard Ford seine Eltern beschreibt, vermittelt etwas vom Behagen der alten Tage, die inmitten der großen Depression keineswegs einfach, aber in einer besonders intensiven Weise „geborgen“ gewesen waren.
Alles wird anders, als nach immerhin bereits 16 Jahren der kaum noch erwartete kleine Richard im Februar 1944 geboren wurde. Nun endet das glückliche Leben der Eltern „on the road“, und sie beziehen ein kleines Haus in Jackson/Mississippi. Erstmals erleben die Eltern größere Phasen der Trennung, wenn der Vater von Montags bis Freitags auf Dienstreise geht. Über diese Abwesenheit des Vaters macht sich der weit über 70-jährige Autor viele Gedanken bedauert manches, kann aber letztlich nichts Tragisches daran entdecken. Er hatte zu seinem Vater ein gutes Verhältnis, wenngleich ohne jeden emotionalen Überschwang, wie er heute oft zelebriert wi
- Er war eben auch „da“, wenn er gerade „nicht da“ war. Gerade 16 geworden, erlebte der Sohn, wie der Vater an einem Herzinfarkt stirbt. Eigenmächtig überführt der Bruder des Vaters den Toten ins Familiengrab in eine andere Stadt. Zurück bleiben Mutter und Sohn, alleine.
Im zweiten Teil des Buches erzählt Richard Ford über seine Mutter. Sie war hübsch, schlagfertig, redegewandt, aber insgesamt wie ihr Ehemann ohne Ambitionen, was dazu beitrug, sie vor allzu großen Enttäuschungen zu bewahren. Obwohl sie ihren Sohn aufrichtig liebte, war ihr Mann in ihrem Leben „ihr Ein und Alles“, so dass sich nach seinem Tod ihr Leben komplett ändert. Sie wird zu einer unabhängigen Frau, die aber auch von ihrem Sohn mehr Unabhängigkeit und Eigenverantwortung erwartet. Dieser Sohn kommt mit dieser Zumutung nach einigen Startschwierigkeiten zu seinem eigenen Erstaunen ganz gut zurecht. Bald entwickelt sich ihr Leben auch räumlich auseinander, ohne dass es zu einer emotionalen Entfremdung kommt. Das Gefühl enger Verbundenheit bleibt und intensiviert sich noch, als die Mutter im Alter von 63 Jahren an Brustkrebs erkrankt. Rückblickend scheint sich der Autor Vorwürfe zu machen dass er in dieser Krankheitszeit nicht noch mehr für seine Mutter da gewesen ist, doch wenn es so gewesen sein sollte, ließ sie es ihn nicht spüren. Davon abgesehen, ist die Schilderung der letzten Momente zwischen Mutter und Sohn ergreifend, gerade, weil Ford im nachherein rückhaltlos seine eigenen Gefühle erforscht.
Was ist das Besondere an diesem Buch? Abgesehen von der sehr präzisen, teilweise fast behavioristischen Sprache ist es die Behutsamkeit und Dankbarkeit, mit der sich der Autor dem Angedenken seiner Eltern nähert. Seine Erinnerung an sie gleicht einem Schatz, den er für sich selber hebt, während er schreibt. Mit dem Gedanken, dass darin auch ein Stück Bewahrung seiner selbst steckt, endet das Buch.