Fowler: Der Jane Austen Club

Lesekreise sind schwer im Kommen. Allenthalben schließen sich Männer und Frauen, Junge und Alte, Dicke und Dünne zu so genannten Lesekreisen zusammen um einmal nicht über sich, sondern über Bücher zu sprechen. Natürlich sprechen sie dann doch über sich, wenn sie über die Bücher sprechen, aber das hat wenigstens dann etwas Un-Plumpes, etwas kulturell Vermitteltes, das die Mitlieder der Lesekreise zwingt, ihre innerseelische Einzigartigkeit in eine allgemein verständliche Sprache zu überführen. So gesehen sind Lesekreise als ein Element der kulturellen Veredelung im Zeitalter des Privatfernsehens etwas durchaus Positives.
Wie steht es nun mit dem Lesekreis im vorliegenden Buch? Ganz einfach und ohne lange Vorgeschichte beschließen fünf Freundinnen – Bernadette(67), Jocelyn(50), Silvia(50), ihre Tochter Allegra (um 30) und Prudie (um 30) – als Jane Austen Liebhaberinnen sich einmal im Monat zu treffen und nacheinander „Emma“ (wahrscheinlich März), „Sinn und Sinnlichkeit“ (April), „Mansfield Park“ (Mai) „Kloster Northanger“ (Juni ) „Stolz und Vorurteil“ (Juli) und „Überredung“ (August) zu diskutieren. Damit ein wenig Pepp in die Gruppe kommt, wird auch noch der zurückhaltende Mittvierziger Grigg „mit den langen Wimpern“ in den Kreis aufgenommen.
Wie löst Karen Fowler nun das formale Problem, ihren Leser wenigstens so weit in die Thematik der Austen-Werke einzuführen, dass er den Debatten der sechs Teilnehmer folgen kann? Überhaupt nicht, wie man bald merkt, denn außer einem sehr kurzen Abriss im Anhang erfährt der Leser nichts über die Bücher, was auch nicht erforderlich ist, da das Buch überhaupt nicht vom „Jane Austen Club“ sondern von seinen einzelnen Mitgliedern handelt, deren Persönlichkeiten und Werdegänge kapitelweise in aller Breite dargestellt werden.Die eigentlichen Sitzungen des Lesekreises nehmen nur einen Buchteil des Buches ein und bestehen vornehmlich aus Anmerkungen darüber, was diese oder jene Figur bei Jane Austen gesagt oder getan hat, ohne dass dies für den Leser durchschaubar wäre – wobei übrigens keine dieser Anmerkungen einem literarischen Erkenntnisinteresse entspringt sondern nur dem Wunsch, dem einzig anwesenden Mann in der Gruppe zu imponieren.

Es dauert etwas, bis man hintrer den Trick der Autorin kommt: Obwohl die Figuren nicht sonderlich intensiv über Austen reden, „funktionieren“ die Teilnehmer des Lesekreises fast hundertprozentig nach der Austenschen Psychologie, d.h.: wer bekommt am Ende wen?   Manchem wird das als ein poetologisch gelungener Zirkel erscheinen, andere werden sich bei dieser Thematik eher langweilen. Mark Twain hat das sich zu dieser Dauerthematik bei Austen übrigens folgendermaßen geäußert „Jedes Mal wenn ich Stolz und Vorurteil lese, möchte ich ihre Knochen ausgraben und ihr mit ihrem Schienenbein eins drübergeben.“
Andererseits muss man zugeben, dass das Buch – einmal ganz abgesehen von seiner Thematik – auch für Nicht-Frauen-Versteher keineswegs langeilig sondern durchaus witzig und flott geschrieben ist. Es ist aber in erster Linie kein Buch über einen Lesekreis sondern ein Buch über fünf Frauen und einen Mann, deren soziales, seelisches und erotisches Miteinender auf dem Hintergrund einer imaginären Jane Austen Welt abgespiegelt wird, die der Leser dann seinerseits nicht auf der Grundlage der Austen Bücher selbst sondern auf der Grundlage der Verhaltensweisen der Austen-Leser verstehen lernt.

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