Pausenlos halten uns die Medien mit dem Klimawandel auf Trab. Unwetter, Hitzerekorde, Missernten und weltweite Fluchtbewegungen werden dem Publikum als Folgen des Klimawandels auf allen Kanälen verkauft. Und geht man Sonntags in die Kirche, haut der Pfarrer in die gleiche Kerbe: Der Untergang der Welt steht unmittelbar bevor, und die Menschheit hält Ausschau nach ihren Rettern. Das ist die schlechte Nachricht.
Die gute Nachricht ist: diese Retter stehen bereit, genauer gesagt: „sie haben die Macht bereits übernommen“, wie Ansgar der Journalist Ansgar Graw behauptet. Die Rede ist von den Grünen, der Partei der Stunde, die sich im Gefolge der Klimapanik in einem beispiellosen demoskopischen Hoch befindet und möglicherweise im nächsten Jahr den Bundeskanzel stellen wird.
„Es ist gut, dass es die Grünen gibt“, schreibt Graw in bewusster Pointierung, aber „schlimm, dass es so viele sind.“ Denn parallel zum Wachstum der Grünen als Partei entwickelte sich ein „Ökokonformismus“, der inzwischen alle anderen Parteien außer der AfD überwältigt hat. Grund genug für Ansgar Graw, die grüne Bewegung in seinem Buch „Die Grünen an der Macht“ einer systematischen Kritik zu unterziehen.
Der Hauptvorwurf, den Ansgar Graw den Grünen macht, bezieht sich auf ihre verzerrte Weltsicht. Wir leben im Känozoikum, einer erdgeschichtlichen Kaltzeit, die langsam zu Ende geht, so dass es auch ganz ohne menschlichen Einfluss auf jeden Fall wärmer werden wird. Möglich, dass der Mensch durch die Bevölkerungsvermehrung und den damit verbundenen höheren CO2 Ausstoß zur Erderwärmung betragen wird, schreibt Graw, aber ausschlaggebend ist dieser anthropogene Einfluss nicht. Dankenswerterweise entlarvt Graw in diesem Zusammenhang den bekannten Obama-Tweet, nachdem 97 % aller Wissenschaftler vom menschengemachten Klimawandel überzeugt sind, als eines der großen Fakes der Wissenschaftsgeschichte. Womit wir beim zweiten Kritikpunkt wären: der permanenten Überspitzung sogenannter Gefahrenlagen. Allein sieben Szenarien hat ein Expertengremium der UN entwickelt, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Sahel-Zone darzustellen. Einige von ihnen sind durchaus positiv, von grünen Aktivisten werden aber nur die negativen kommuniziert. Diese selektive Rezeption des wissenschaftlichen Forschungsstandes führt Graw auf einen rigorosen „Ökomoralismus“ zurück, nach dem jede Relativierung apokalyptischer Prognosen als „unverantwortlich“ und „menschenverachtend“ gegeißelt wird. Dieser weitgehend kenntnisfreie Ökomoralisms hat inzwischen weite Teile der schulischen Jugend erfasst, die auf den Marktplätzen unserer Städte hüpfend und skandierend gegen den Klimawandel demonstrieren. Eine lückenlose ökomoralische Einheitsfront vom Grundschuldkind bis zum Papst ist entstanden, deren Leitfiguren einen gesellschaftlichen Wandel anstreben, der zu den weitgehendsten gehört, den die Weltgeschichte kennt.
Dabei ist der Unsinn, der den grünen Großprojekten zugrunde liegt, mit Händen zu greifen. Obwohl selbst der maximale Ausbau regenerativer Energien niemals den Energiebedarf einer vollständigen Mobilitätswende zum Elektroauto befriedigen könnte, werden die Abschaffung von Benziner und Diesel ebenso vorangetrieben wie die Abkehr von Kohle und Kernkraft. Diese und andere Beispiele offenbaren für Ansgar Graw den ganzen Irrsinn der ohne wirkliche Folgenabschätzung in Gang gesetzten große Transformation in die ökologische Sackgasse.
Dabei stehen längst, wie Ansgar Graw in den abschließenden Kapiteln zeigt, marktwirtschaftliche Lenkungsinstrumente und technologische Mittel in Aussicht, die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen. Beispielhaft beschreibt Graw die gesamteuropäische Kernfusionsforschung. deren Finanzierung von den Grünen abgelehnt wird. Ähnlich verhält es sich mit der Gentechnik, Treibstoffoptimierung oder neuartigen Recyclingmethoden.
Am Ende der Lektüre ist man beeindruckt von der Vielfalt der Aspekte, die der Autor mit einbezieht, aber doch ohne Hoffnung, dass sein Buch irgendetwas bewirken wird, denn die massenmediale Präsenz des Ökomoralismus ist ungebrochen Diese Verquickung von Ökomoralismus und Presse noch etwas stärker zu beleuchten, würde man dem Buch in einer zweiten Auflage wünschen.