Es gibt kaum eine Epoche der europäischen Geschichte, die sich so spannend und wechselvoll darstellt wie die Zeit zwischen dem Ende des Dreißigjährigen Krieges und der Großen Revolution von 1789. Am Anfang stand der Aufstieg Frankreichs zur neuen absolutistischen Vormacht Europas. Spanien wurde besiegt, die Ostgrenze auf Kosten Deutschlands vorgeschoben, Holland wurde verwüstet, während der Hof von Versailles sich zum Maßstab absolutistischer Herrschaft entwickelte. Zentraleuropas Geschick schien besiegelt, als das Alte Reich am Ende des 17. Jhdts. im Westen durch den Pfälzer Erbfolgekrieg und im Osten durch den Ansturm der Türken in eine tödliche Zange geriet. Und doch vollzog sich gerade in den Jahren als Heidelberg brannte und Wien zu fallen drohte, die Wende. Die Glorious Revolution in England brachte Wilhelm III von Oranien an die Macht, die Habsburger siegten im Verein mit den Polen vor Wien über die Türken. Schweden, Frankreichs Nordlanddegen geriet schon gegen das aufsteigende Brandenburg-Preußen in Schwierigkeiten, dann aber mit dem Eintritt Russlands in die europäische Geschichte an das Ende seiner Großmachtstellung. Schließlich wuchsen alle Konflikte des Jahrhunderts zusammen im großen Spanischen Erbfolgekrieg und im Nordischen Krieg (1700-1713/21), dem ersten Weltkrieg der Geschichte, in der Frankreich nur mit Glück und letzter Kraft seine totale Niederlage abwenden konnte. Am Ende dieses Krieges stand die neu russische Großmacht unter Peter I, das erstarkte Brandenburg-Preußen, das unter Friedrich II bald seinen Eintritt in den Kreis der Großnächte erzwingen sollte – und Österreich, das unter der Führung Prinz Eugens mit der Befreiung des Balkans vom türkischen Joch begann. Der Aufgeklärte Absolutismus hebt an, der trotz seiner Förderung durch Friedrich II und Katharina der Große lange vor der Revolution schon die intellektuelle Axt an die Grundstrukturen der Epoche legen sollte.
Wie wird diese faszinierende Zeit im 25. Band der Fischer Weltgeschichte dargestellt? Um es mit einem Wort zu sagen: zum Abgewöhnen! Mit dem stilistischen Charme eines Telefonbuches wird die Epoche nicht chronologisch als das große Drama, das sie war, sondern als eine Art Rechtsgeschichte in sechs Kapiteln dargestellt. Zwei davon behandeln Schweden-Finnland (!) und Dänemark– Norwegen (!), immerhin sind auch England, Frankreich, Österreich und Preußen mit von der Partie (Wenn man schon diese Perspektive wählt: Was ist mit Russland, Spanien, Polen, Italien? Was ist mit den Kolonien in Amerika?). Geboten aber werden sechs furzlangweilige Kapitel, die sich unter Aufbietung hochgelahrter Elaborität an den Feinheiten der Territorial- und Rechtsgeschichte abarbeiten. Ein ganzer stauenswerter Ozean von Normen, Gewohnheitsrechten, Verordnungen und Beschlüssen wird immer aufs Neue durchgehechelt, ohne dass die Grundzüge der Epoche auch nur in Ansätzen hervortreten würden. Dass Geschichte immer auch „erzählen“ bedeutet, kann man in diesem Band vergessen. Ich zweifle nicht daran, dass diese sechs Kapitel Rechtsgeschichte wissenschaftlich höchsten Ansprüchen genügen, ein empfehlenswertes Geschichtswerk ergeben sie aber nicht. Meiner Ansicht ist der vorliegende Band von der Konzeption her im Rahmen der Fischer Weltgeschichte völlig fehl am Platze und das mit Abstand am wenigsten gelungene Buch dieser Reihe.