Diese Novelle beginnt mit einem Mord. Das ist nichts Besonderes. Das machen viele Romane um anschließend den Mord psychologisch oder faktisch aufzuklären. Der Mord, mit dem jedoch das vorliegende Buch beginnt, ist der Mord einer Mutter an ihrer Tochter – ein unverständlicher Vorgang, den das Buch verständlich machen will.
Die Mörderin ist Aurora Rodriguez, eine spanische Kaufmannstochter, die durch ihre offensichtliche Benachteiligung als Mädchen im vorfranquistischen Spanien früh auf eine Art feministischer Schiene geriet. Nachdem sie über eine Anzeige einen Mann gefunden hat (einen falschen Priester), der mit ihr ein Kind zeugt ( mehr will sie nicht von ihm ), wird dieses Kind konsequent im Geist des Feminismus erzogen. Es handelt sich um die Tochter Hildegard, ein frühreifes und bedauernswertes Genie, das mit anderen Kindern kaum spielen darf, das schon mit drei Jahren einen Schreibmaschinentest besteht und mit 14 Jahren die Universität besicht. Sie erscheint als Intellektuelle und Aktivistin wie eine im Quadrat wiedergeborene Mutter, berechtigt zu den schönsten politischen Hoffnungen, bis sie sich schließlich aus nicht näher geklärten Gründen verweigert, verzweifelt und auf ihren eigenen Wunsch von der Mutter im Schlaf erstochen wird
Man sieht, eine Geschichte so richtig aus dem Leben, die bei ihrer Erstveröffentlichung im Jahre 1987 des Aspekte Literaturpreis erhielt. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, warum. Denn weder werden die Charaktere in psychologischer Hinsicht fassbar, noch besitzt die Handlungsführung irgendetwas Überzeugendes. Es handelt sich um einen reinen Gedankenroman, den der Autor in einer schnörkellosen Protokollsprache herunter geschrieben hat. Und was die Moral von der Geschicht sein soll, bleibt schleierhaft. Ist ein Kind, das von der Mutter nur zur Verwirklichung ihrer eigenen Träume herangezogen wird, zum Scheitern verurteilt? Handelt es sich um eine Anklage gegen seelenlosen Feminismus? Eine Kritik der traditionellen spanischen Gesellschaft? Wahrscheinlich kann sich der Leser einen dieser Gründe aussuchen, und wer diese interpretatorische Offenheit für einen Vorteil hält, dem sei das kleine Buch empfohlen. Manchmal aber weiß man aber auch einfach nicht, warum man ein Buch gelesen hat, dieses ist für mich ein Beispiel dafür.