Früher war es ein beliebtes Spiel gewesen, zu fragen, in welcher Epoche man am liebsten gelebt hätte. Dabei hatte ich festgestellt, dass meistens diejenigen, die am wenigsten Ahnung von Geschichte hatten, sich die exotischen Jahrhunderte aussuchten. Ich war da zurückhaltender, und wenn ich ehrlich bin, möchte ich(bei allen Unvollkommenheiten) in keiner anderen Zeit als der meinen leben, allein schon deswegen, weil ich meinen Zahnarzt und meine Kaffeemaschine schätze.
Trotzdem gibt es natürlich für die Gegenwart jede Menge aus der Geschichte zu lernen, auch wenn sie sich alles in allem als ein Endlos-Mowie ohne happy mit nur wenigen Verschnaufpausen darstellt. Eine solche Epoche, aus der es viel zu lernen gäbe, ist das Zeitalter der römischen Republik, das große Standardszenario eines Zusammenbruchs mit allen Beigaben des Spektakels: großen Männern, großen Plänen, großen Schlachten und großem Scheitern. Kaum überschaubar ist die Zahl der Geschichtsbücher, die über diese Epoche geschrieben wurden, wobei auffällt, dass diese Bücher fast immer Projektionen sind, Projektionen der eigenen Probleme auf ein klassisches Untergangsszenario. Das ist mir zum ersten Mal aufgefallen, als ich Christian Meyers Begriff der „Krise oder Alternative“ kennen lernte, in der am Beispiel der Agonie der römischen Republik eine Konstellation beschrieben wird, aus der es mit den Mitteln der Republik keinen Ausweg gab. Dass er dann mit Augustus doch gefunden wurde, bedeutete den Wechsel auf eine ganz andere Schiene der Geschichte. Eduard Meyer hat den Untergang Republik am Beispiel der Figuren des Pompons und Caesar abgehandelt und die These vertreten, das es der im Bürgerkrieg unterlegene Pompeius gewesen war, dessen Prinzipat in den Fünfziger Jahren BC zum Vorbild für das Prinzipat des Augustus ab 27BC wurde.
Der gleichen Konzepte und Erklärungsansätze besitzt das vorliegende Buch nicht. Tom Holland ist kein Theodor Mommsen, kein Christian Meier oder Eduard Meyer, kein ausgewiesener Forscher, sondern ein Erzähler von hohen ragen. Das ist nicht gering zu schätzen, weil ein großer Teil der Attraktivität der Geschichte auf ihrer Narrativität beruht. Und narrativ ist das vorliegende Buch vom Anfang bis zum Ende. Abseits aller theoretischen Durchdringung beschreibt Holland das letzte Dreivierteljahrhundert der römischen Republik wie einen Roman, angefangen mit dem Konflikt zwischen Marius und Sulla bis hin zum Endkampf zwischen Cäsar und Pompeius. Der Wert des Buches liegt nicht in dem Neuen, das es schildert, sondern in seiner Vertiefung, möglicherweise auch in seiner Akzentsetzung. Die Niederlagen der Republik begreift Holland als eine schrittweisen Prozess, der Auflösung, der mit dem Ruin des italischen Bauernstand begann, sich mit der Reform des Jahres 107 BC fortsetzte, nach der auch landlose Römer Soldaten werden konnten und mit Sullas Marsch auf Rom seinen ersten Höhepunkt fand. Von da an war die Republik nur noch das Spielfeld mächtiger Männer, die um Macht und Geltung stritten. Pompejus, Lukullus, Crassus, Cicero, Catilina, Cato der Jüngere und schließlich Caesar haben ihren Auftritt in diesem geschichtlichen Drama, dass schließlich gegen jede Wahrscheinlichkeit in die Friedenszeugnis Augustus mündet.
Die Sprache, in das Buch erzählt wird, ist von hoher Anschaulichkeit, besonders was die dramatischen Momente – wie etwa den Übergang über den Rubikon – betrifft Gelegentliche Exkurse zu Theater und Kunst, Sexualität und Kulinarik, Verfassung und Sitten runden die Darstellung ab, auch wenn sie etwas blockartig in den Text eingefügt sind. Die Erzählung aus wechselnden Perspektiven ermöglicht es dem Leser, das Feld, wie von vielen Scheinwerfern beleuchtet, so prägnant genannt wie möglich wahrzunehmen.