Zunächst als Vorbemerkung ein trauriger Sachverhalt. Als ich in mich in meinem Buchladen nach dem Roman erkundigte, wurde es mir als leicht vergilbter Ladenhüter sofort zum halben Preis angeboten. So sieht heute die Nachfrage nach Joseph Roth aus, einem der großen Erzähler der deutschen Literatur.
Allerdings ist „Das Spinnennetz“ tatsächlich nicht Roths stärkstes Buch. Es ist ein Erstling, in dem man schon die Poesie spürt, die Roths spätere Werke so unvergesslich machen werden („Er dachte ihrer wie eine Landschaft, die man einmal aus der Ferne erblickt hat und in der ein Verweilen unmöglich war.“), auch die Prägnanz der Beschreibungen verblüfft, und doch krankt das Buch an einem ganz eigentümlichen formalen Mangel. Der Roman beginnt mit der Darstellung des rechtsnationalen Leutnant Theodor Lohse – einem literarischen Bruder Diederich Hesslings aus dem Heinrich Manns Untertan“ – und beschreibt dessen Aufstieg aus dem Geist eines unbändigen Hasses. „Ich sprenge die Zeit, in der ich gefangen bin, den sonnenlosen Kerker des Daseins, werfe das drückende Joch dieser Tage ab, steige auf und zerschmettere geschlossene Pforten“. Dann aber, nach etwa Dreiviertel des Buches, scheint Roth das Interesse an dieser faden, heimtückischen Figur zu verlieren, und er wendet sich einer interessanteren Gestalt zu, dem polnischen Juden Benjamin Lenz, der in undurchschaubarer Absicht in allen Lagern fischt und in dessen Gestalt dem Lohse ein Antagonist zu erwachsen scheint.
Dann ist der Roman plötzlich zuende( nach gerade mal 120 groß gedruckten Seiten!). Dass nur wenige Tage nach dem ersten Abdruck des Buches in einer Zeitung der Hitler-Ludendorff Putsch in München ablief, hat den Nachruhm des Werkes allerdings mächtig befördert.
Insgesamt handelt es sich natürlich keinesfalls um ein schwaches Buch – „schwächer“ ist es nur im Vergleich zu Roths späteren Meisterwerken wie „Hiob“ Radetzkymarsch“ oder Das falsche Gewicht“. Als atmosphärischer Einstieg in die Welt der Zwanziger Jahre und als Heranführung an den jungen Joseph Roth ist es durchaus lesenswert.