„Zum ersten Mal seit fünf Jahren stehe ich wieder an den Toren Europas,“ schreibt der Kriegsheimkehrers Gabriel Dan, der am Ende des ersten Weltkrieges wie Hunderttausende anderer aus der russischen Gefangenschaft in ein Europa heimgekehrt , in dem nichts mehr so wie vor dem Krieg. Allerdings bietet dieses Europa an seiner Peripherie tatsächlich eine wenig einladende Außenansicht. Wir befinden uns im Osten Polens in einem Ort „voll verwahrloster Gehöfte, freien Plätzen, auf denen Schutt und Mist lagerte und die Schweine grunzten. Grüne Fliegenschwärme summten um Haufen dunkelbraunen Menschenkotes. Die Stadt hatte keine Kanäle, es stank aus allen Hausern.“(S. 34). Das hört sich übel an. Aber gottlob gibt es noch das Hotel Savoy „mit seinen sieben Etagen, seinem goldenen Wappen und seinem livrierten Portier. Es verspracht Wasser, Seife, englisches Klosett, Lift, Stubenmädchen in weißen Hauben, freundlich blinkende Nachtgeschirre , elektrische Lampen, aus rosa und grünen Schälchen erglühend wie Kelche, und Betten, daunengepolsterte, schwellend und feurig bereit, den Körper aufzunehmen.“(S. 5)
Damit sind die Pole des Romans gekennzeichnet. Der düstere Ort, das Inferno, und das Hotel Savoy, der Vorhof des Paradieses, auch wenn dieser Vorhof zum Paradies zweigeteilt ist, in die guten unteren drei Stockwerke, in denen tatsächlich Stubenmädchen wirken und die ärmeren oberen Stockwerke, in der die zahlungsklammen Gäste ihre Koffer verpfänden müssen, wenn sie die Rechnungen nicht bezahlen können.
Das wahre Paradies aber winkt im Westen, in Berlin oder Paris, von denen die Protagonisten träumen, ohne dass die meisten sich diese Reise wirklich leisten können. Stattdessen kommen immer neue abgerissene von der Revolution infizierte Jammergestalten aus den Tiefen Russlands in die heruntergekommene Stadt, es kommt zu Streiks und Konflikten, am Ende sogar zu Schießereien und Tod. Ein vermeintlicher Milliardär Bloomfield, der aus Amerika anreiste um das Grab seines Vaters zu suchen und an den jeder seine Hoffnungen knüpft, reist bei Nacht und Nebel wieder ab. Auch Gabriel Dan reist ab, nachdem er seinen Freund verloren und seine Liebe nicht hat erringen können – er reist ab nach Westen einem ungewissen Schicksal entgegen.
Das ist im Wesentlichen der Roman, der von Kolorit und Atmosphäre lebt, ohne dass sich Joseph Roth bereits auf der Höhe seines Könnens etwa von „Radetzkymarsch“ befände. Es ist der zweite Roman des Autors, eigentlich nur eine etwas längere Erzählung, in dem Roth seine prägnante Sprache noch sucht. Durchaus lesenswert als ein Portrait des untergehenden Osteuropa, aber doch noch eher eine Skizze, die den späteren Meister in Umrissen erkennbar werden lässt, ihn aber noch nicht wirklich zeigt.