Keefe: Imperium der Schmerzen


Das vorliegende Buch beschreibt einen ungeheuerlichen Skandal, der in seinen ganzen Ausmaßen erst jetzt bekannt wird: die Opiatkrise in den Vereinigten Staaten.  Ursache dieser Volksvergiftung war das Medikament Oxycontin, ein suchterzeugendes Medikament mit hohem Opiumanteil, das seit seiner Zulassung in den USA als frei verschreibbares Medikaments hunderttausenden Menschen das Leben kostete.  Wie war das möglich?

Patrick Redden Keefe, Investigativreporter der New York Times, hat die Geschichte  dieses Skandals  bis in die kleinsten Verästelungen recherchiert, und was er dabei zutage fördert, ist das niederschmetterndes Sittenbild einer moralisch verkommenen amerikanischen Milliardärsdynastie. Die Rede ist von den drei Generationen der Familie Sackler, die aus kleinsten Anfängen ein Werbe- und Phamaimperium schufen und als Unternehmensgründer und Mäzene zu einer der geachtetesten Familien der USA aufstiegen.

Alles hatte mit Arthur Sackler begonnen, dem Familienpatriarchen, der nach dem 2. Weltkrieg  die kommerzielle Werbung für Pharmaprodukte revolutionierte  und durch die Platzierung des Medikamentes Valium steinreich wurde. Nach seinem Tod im Jahre 1987 rückte sein Neffe Richard Sackler an die Spitze der Familie. Er wird Chef der Firma Purdu Pharma, die sich auf die Produktion schmerzstillender Medikamente konzentriert. 1996  bringt Purdue Pharma OxyContin, ein hochwirksames, aber stark suchterzeugendes Medikament auf den Markt, das bis dahin vorwiegend in der Palliativmedizin eingesetzt worden war. Nun soll eine besondere Ummantelung in Pillenform dafür sorgen, dass sich die Substanz gleichmäßig im Blutkreislauf der Patienten verteilt, womit die Suchtgefahr vermeintlich ausgeschaltet worden war. So jedenfalls die Werbung der Firma, an der kein Wort wahr ist.  Stattdessen besticht Purdue Pharma Curtis Wright, den  zuständigen Aufseher der US-Arzneimittelbehörde FDA, der dem Medikament ohne ernsthafte Prüfung die allgemeinmedizinische Zulassung erteilt (Ein Jahr später wechselte er mit einem  Einstiegsbonus von 400 000 Dollar zu Purdue Pharma.). Gepuscht durch eine aggressive Verkäuferorganisation, die bewusst mit Lügen und Bestechungen arbeitet,  wird Oxytocin innerhalb kürzester Zeit zum profitabelsten Medikament der Welt und generiert Milliardengewinne. Zugleich nimmt das Unheil seinen Lauf. Hunderttausende ganz normale Kranke, denen die Ärzte wegen eines Rückenleidens oder eines temporären Schmerzes Oxycontin verschreiben, werden abhängig.

Natürlich häufen sich bald die Beschwerden, aber der Sacker-Familie gelingt es zunächst, die Proteste unter den Tisch zu kehren. Richard Sackler schreckt noch nicht einmal davor zurück, eine Kampagne gegen „Junkies“ zu fahren, die das Medikament unberechtigterweise in Verruf brächten. Eine Zeitlang gelingt auch das, dann wird die Zahl der Drogentoten einfach zu groß, und die Justizverwaltung nimmt in den 2010er Jahren endlich ihre Ermittlungen auf.

Am Ende entgehen die Verantwortlichen nur durch einen gigantischen Deal der gerechten Strafe. Purdue Pharma zahlt fünf Milliarden Entschädigung, und erhält  dafür umfassende Straffeiheit für alle Verantwortlichen. Dieser Deal, der wahrscheinlich über das Weiße  Haus und unter Zuhilfenahme von gigantischen Wahlspenden eingefädelt wurde, lässt die Geschädigten empört und enttäuscht zurück. Ebenso geht es dem Leser.   Wie schon die Bücher über die Bankzusammenbrüche oder die Betrügereien im Zusammenhang mit der US Immobilienkrise liefert „Imperium der Schmerzen“ einmal mehr Anschauungsmaterial für die Exzesse eines verantwortungslosen  Kapitalismus. Ganz irre kann man an der Marktwirtschaft werden, wenn man sieht, wie die pure Gier und Verantwortungslosigkeit triumphiert. Ist das der Preis der Freiheit, mag man fragen, dass in regelmäßigen Abständen  Wirtschaftsbosse immensen Schaden anrichten, um dann weitgehend ungeschoren davon zu kommen? Denn die Sackler Familie, die so viel Leid über die Menschen gebracht hat, lebt heute mit einem Privatvermögen von elf Milliarden USD noch immer in Saus und Braus.

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