Laabs: Bad Bank. Aufstieg und Fall der Deutschen Bank (Exzerpt)

In Oliver Stones Hollywoodfilm „Wall Street“ gibt es eine berühmte Szene, in der Michael Douglas alias Gordon Gecko das Credo des modernen Finanzkapitalismus verkündet: das „Lob der Gier“, die „gut“ sei und die „die Dinge kläre.“ Wenn man will, könnte man diese Sequenz als Motto für das vorliegende Buch verwenden, allerdings mit der Ergänzung, dass die Gier nicht nur „gut“ ist, indem sie „Krankes“ vom Markt verschwinden lässt, sondern auch absolut schädlich, in dem sie auch Lebensfähiges  zugrunde richtet.

Die vom Dirk Laab entfalteten Geschichte vom „Aufstieg und Fall der Deutschen Bank“ kann als eine Art Fallstudie zu dieser These gelesen werden. Wobei „Aufstieg“ nicht ganz richtig ist, weil der Autor seine Deutsche-Bank-Saga  mit den Achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts beginnen lässt, als sich das Bankengeschäft revolutionierte.  Zum ersten Mal tauchen Derivate und Hebel auf, die mit geringem Kapitaleinsatz die Bewegung unglaublicher Summen (und die Erwirtschaftung fetter Profite)  erlauben. Der Computer hält Einzug in die Handelshäuser und ermöglicht die blitzschnelle Bewältigung früher unfassbar großer Handelsvolumina. Ein  neuer Berufsstand, der Investmentbroker und Risk-Taker entsteht, die rein nach Verkauf bezahlt werden und ihren ahnungslosen Klienten immer komplexere Finanzprodukte andrehen. In dieser ersten Phase des allgemeinen moralischen Niedergangs profitieren die Banker noch vom Vertrauen der Kunden in ihre vermeintlich ehrenwerten Banken, vermerkt Laabs an dieser Stelle.  Das stimmt, auch wenn man das nicht nur der Deutschen Bank vorwerfen kann – sie hat es nur besonders toll und leider auch besonders ungeschickt betrieben. Viel ungeschickter etwa als die Konkurrenten wie  Goldman Sachs, Morgan Stanley, JP Morgan, Meryll Lynch und andere, die sogenannten „bulge brackets“, die sich im wahrsten Sinne des Wortes „dumm und dämlich“ verdienten, weil die Dämlichkeit ihrer Kunden als Prämisse ihres Geschäftsmodells fungierte.  Was die Deutsche Bank begrifft, so war sie nach Einschätzung des Autors ein  „Flugzeug, von dessen vier Triebwerken nur eines funktionierte: die Investmentbank. Die anderen drei Triebwerke, das Privatkunden- und Firmenkundengeschäft in Deutschland sowie die Vermögensverwaltung, all das brachte nicht genug Geld.“

Das war die Lage, als die Deutsche Bank dazu ansetzte, ein ganz großes Rad zu drehen und zur größten Bank der Welt aufzusteigen. Bekanntlich ist dieser Versuch grandios gescheitert und hat den Kurs der Deutsche Bank-Aktie von einem Hoch von etwa 120 Euro auf ca. 5 Euro abstürzen lassen.    Dabei fing die Party um die jahrtausendwende gut an. Im Zuge der @-Euphorie und des Internethypes fallen die meisten staatlichen Regulierungen. Präsident Clinton hebt, von seinen Spezies an der Wall Street motiviert,  1999 das Glass-Seagull Trennbankengesetz auf, was den Insiderhandel in bisher unbekanntem Ausmaß ermöglichte. Der (unregulierte) OTC Handel explodierte ebenso wie das Hedge Fond Geschäft – Hauptsache unreguliert! Die Kurse stiegen und stiegen, und jedermann kaufte Aktien, bis das Konto knirschte. Es war die Zeit, als sogar die Religionslehrer in den Pausen an den PCs saßen, um mit Optionsscheinen zu zocken.

Maßgebliche Aktionsträger in diesem Bullenmarkt waren die Deutsche-Bank Ableger in London und New York, die den Markt nach allen Regeln der Kunst aufmischten, ohne dass die  Kontrollinstanzen in Frankfurt überhaupt mitbekamen, was abging.   Kein Finanzprodukt war den Bankern zu unfair, um es nicht ahnungslosen Kunden anzudrehen, Keine Geldquelle  zu anrüchig, sie auch sein mochte, um nicht die  Finger hineinzustecken. Russische Oligarchen, das organisierte Verbrechen in Lateinamerika, reiche Erdölprinzen und Terrorstaaten benötigten Hilfe beim Geldwaschen, und da war die Deutsche Bank gerne gefällig.  Höhepunkt dieses weltweiten dance macabre wurden die Geschäfte mit den kombinierten Schuldverschreibungen, bei denen die Banken  die Kreditrisiken und Schulden unterschiedlicher Wertigkeit miteinander zu Wertpapieren bündelten und durch unseriöse  Agenturen mit Top Ratings versehen ließen.  Diese Papiere, bald unterlegt mit Hypothekenschulden des US amerikanischen Häusermarktes, sollten schließlich zur Grundlage der großen Finanzkrise von 2007 werden.

Als die US-Hypothekenkrise hochkochte, hatte die Deutsche Bank plötzlich 111 Milliarden Schrottpapiere in den Büchern, und überall begannen die Kredit Verbriefungen in den Bankbilanzen zu stinken. Die AIG, der größte Player bei den Kreditausfall-Versicherung, erhielt einen Margin-Call nach dem nächsten. (Margin Calls sind Zahlungsaufforderungen zur Absicherung unsicherer  Positionen). Als Lehmann Brothers in den Konkurs ging,  geriet das gesamte Weltfinanzsystem an den Rand des Abgrunds. Nur hemmungsloses Gelddrucken hat damals die Banken (und hier vor allem die Deutsche Bank)  gerettet – und die überraschende Einsicht, dass  man Banken ab einer bestimmten Größenordnung einfach nicht pleitegehen lassen darf. Sie sind systemrelevant, und „Too big to fail“, d. h. sie mussten auf Kosten des Steuerzahlers durch unglaubliche Finanzspritzen der EZB gerettet werden.

Nach der Finanzkrise aber ging  das Spiel  weiter wie gehabt. Nach 2009 intensivierte die Deutsche Bank ihre  Libor Manipulationen und ihre nicht minder manipulierten ihre Swap Geschäfte  und verdreifachte ihren Derivatehandel. Längst hatte sie sich wie viele andere Institute auch völlig von der Realwirtschaft abgekoppelt und wirtschaftete nur noch mit hochspekulativen Finanzprodukten. Fast schon normal, dass die europäischen Banken (diesmal allerdings vorwiegend französische Banken) bei der griechischen Schuldenkrise wieder mit dem Geld des Steuerzahlers gerettet wurden. Von den 300 Milliarden die nach Griechenland flossen, gingen nur 17 Milliarden in den griechischen Haushalt 122 Milliarden dienten dazu, Bankenforderungen zu bedienen (unter anderem sogar die Verzinsung  von Papieren, die die Bank niemals hätte  ausgeben dürfen) und der Rest diente der  Refinanzierung des griechischen Bankensystems.

Gerade noch rechtzeitig vor dem wirtschaftlichen Offenbarungseid gelang es Josef Ackermann, dem Architekten dieses Desasters bei der Deutschen Bank vom Vorstand in den Aufsichtsrat zu wechseln. Ihm ruft der Autor ein wenig schmeichelhaftes Urteil hinterher. Nach Laabs Meinung war Ackermann ein  Blender, Betrüger und in der Sache eine inkompetente Flasche.  Er war der wahre Totengräber der Deutschen Bank.

Ihm folgt  2015  der Vorstandssprecher Anusha Jain in den Orkus, weil er es zu verantworten hatte, dass die Deutsche Bank für die von ihm verantworteten Libor Betrügereien eine Strafe von 2,5 Milliarden Euro zahlen muss.   Severing und Cyran, zwei neue Hoffnungsträger, versuchen zu retten, was noch zu retten ist, tauschen siebzig Prozent des führenden und mittleren Managements aus und bereinigen endlich die Bilanz, was Ackermann, Jain und Konsorten jahrelang versäumt hatten.

2016 droht eine 14 Milliarden Dollar Klage wegen der betrügerischen Kreditverbriefungen in den USA und damit das Ende der Bank. Am Ende wurde daraus eine 7,2 Milliarden Dollar Strafe.    Ich habe mir einmal, ganz unabhängig von dem vorliegenden Buch die Mühe gemacht, aus dem Internet die Strafzahlungen, zu denen die Deutsche Bank seit 2013 verurteilt wurde, zu addieren – und ich kam auf die unglaubliche Summe von über 15 Milliarden Dollar! 

Am Ende legt der Leser das Buch desillusioniert zur Seite. Ein Idiot, wer jetzt noch Bankaktien kauft, mag mancher denken. Denn die Bilanzen sind voller toxischer Papiere, die in Bad Banks versteckt werden. Fürwahr düstere Aussichten, zumal die Politiker sowohl in den USA und noch viel mehr in Deutschland weder willens noch kompetent sind, in diesem Bereich auszumisten. Inzwischen, das ist aber nicht mehr Gegenstand des Buches, hat mit dem permanenten  Gelddrucken der EZB der letzte Akt des Finanzdramas begonnen, das in absehbarer Zeit den Euro in die Tonne kloppen wird.

Soweit so unerfreulich. Wie aber ist das Buch gelungen, das dem Leser diese triste Kunde vermittelt? Zuerst zum Positiven: Der Leser, der bereit ist, mit Papier und Bleistift dieses umfangreiche Buch zu exzerpieren, erfährt viele Details zur Geschichte des Weltfinanzsystems. Er blickt hinter die Kulissen eines gewaltigen Betrugssystems und versteht plötzlich, warum in den letzten dreißig Jahren das Vermögen des obersten 1% so gewaltig gewachsen ist.

Allerdings hapert es ganz entscheiden an der Strukturierung des Stoffes. Die unzähligen Einzelheiten und Namen, die der Autor aufs Tapet bringt, erschlagen selbst den geduldigsten Leser, und der Autor, der unbeirrt der Chronologie folgt, bietet kaum übergreifende Strukturierungen.  Außerdem hapert es manchmal an nachvollziehbaren Erklärungen von Libor, Swap, OTC und Derivaten, wobei zugeben werden muss, dass der Stoff, vor allem die Finanzprodukte, extrem komplex daherkommen.  Mein Wunsch wäre eine Kurfassung des vorliegenden Buches, damit es von mehr gelesen und endlich begriffen wird, dass die „Gier“ nicht nur „gut“ war , sondern die Welt an den Rand des Kollaps  geführt hat.

 

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