Die Turbulenzen auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse haben gezeigt, dass sich das Meinungsmonopol des linken Lagers seinem Ende zuneigt. Noch können rechte Verlage stigmatisiert werden, aber es funktioniert nicht mehr so gut wie früher. Es gibt frechen Widerspruch von Seiten der Neuen Rechten, der sich nicht mehr ohne weiteres wegbürsten lässt „Nun sind sie halt da“, könnte man mit Angela Merkel sagen, und es stellt sich die Frage „Was tun?“ Das scheint in etwa der Ausgangspunkt des Autorenteams Leo, Steinbeis und Zorn zu sein, die sich zusammengetan haben um das Problem der Neuen Rechten auf eine neue Art anzugehen. Nach Ignorieren, Verbieten oder verteufeln ist nun „Mit Rechten reden“ angesagt.
Das hört sich gut an, und tatsächlich enthält das Buch eine Reihe von Thesen, die man in dieser Form in einem großen Verlag noch nicht gelesen hat. Erstaunt erfährt man, das Rechte auch Rechte haben, dass viele Ansichten der Rechten „ein Körnchen Wahrheit“, manche sogar „einen wahren Kern“ enthalten. Dass die Rechte allein von ihren Nazi-Rändern her definiert wird, finden die Autoren unfair, denn das rechte Meinungsfeld ist heterogen und reicht bis in die Mitte der Gesellschaft. Dementsprechend elastisch ist der Begriff des Rechten: Rechts ist der, der „rechts spricht“, das heißt sein Unbehagen an der Politik der „Eliten“ äußert.
Miteinander gesprochen werden aber kann nach Meinung der Autoren nur, wenn Linke und Rechte ihre Debattenblockaden beenden. Die Linke muss aufhören, die Gegenseite mit Moralisierungen auszugrenzen, die Rechte sollte endlich ihr perfides „Sprachspiel“ beenden. Perfide ist dieses Sprachspiel, weil „sprachspielende“ Rechte immer eine Dichotomie voraussetzen, die aus einem „ihr“ und wir“ besteht, um dann der eigenen Position „Natürlichkeit“ und common sense zu unterstellen. Ergänzt wird diese Unterstellung durch ein geschicktes Hin- und Herspringen zwischen Provokation und Opferrolle, wobei das erste das zweite erst ermöglicht.
Sind Moralisierungen und Sprachspiele suspendiert, ist die Hauptarbeit fast schon getan. Dann kann die freie und faire Debatte beginnen, über deren Ausgang sich die Autoren keine Sorgen machen. Denn wenn wirklich offen und fair diskutiert wird, brechen die Positionen der Rechten zusammen wie ein Kartenhaus. Diese Selbstgewissheit ist rührend, aber fatal, denn sie verleitet die Autoren dazu, im letzten Teil des Buches einige Kostproben solch erwartbarer Argumentationstriumphe darzustellen. Diese letzten vierzig Seiten sind die interessantesten und kuriosesten Passagen des Buches. Interessant sind sie, weil man hier erkennen kann, wie treuherzig man sich im Mainstream die Welt zurechtlegt. Kurios sind sie, weil sie lauter Märchenerzählungen enthalten, an deren Ende regelmäßig die Rechte mit heruntergelassenen Hosen dasteht. So werden in der Argumentationsskizze zur Grenzöffnung die Rechtsgutachten der ehemaligen Bundesverfassungsrichter Papier und Di Fabio durch die Stellungnahmen zweier unbekannter Rechtswissenschaftler „widerlegt“. Schwupps ist der Verfassungsbruch zwar nicht vom Tisch, aber relativiert. Auch bei der Frage der Identität ist es nach Meinung der Autoren nicht schwer, die Rechten in die Sachgasse zu führen. Man muss sie nur hartnäckig fragen, was sie unter Identität verstehen, denn dann kommt man notwendigerweise auf das Dritte Reich zu sprechen, und schon steht der Rechte auf dem Schlauch. Oder er enttarnt sich als Nazi, was natürlich noch besser wäre. Bei der Diskussion über den Islam werfen die Autoren den Rechten vor, dass ihr Islambild genau der Vorstellung entspricht, die der IS vom Islam besitzt. Über die entsprechenden Koransuren, die genau diesen Bezug rechtfertigen, erfährt der Leser ebenso wenig wie über den Charakter des Islams als einer nichthistorisierten Schriftreligion.
So scheitert die gute Absicht des Buches an einer Mischung aus argumentativer Selbstüberschätzung und sachlicher Unterkomplexität. Das hindert die Autoren übrigens nicht daran, der „nicht besonders denkstarken“ rechten Seite in permanenter Oberlehrerattitüde gegenübertreten. „Selbst wenn ihr Feinde des Grundgesetzes seid“, heißt es an einer Stelle gönnerhaft, „das Grundgesetz ist nicht euer Feind.“ So spricht man mit Deppen, die man nicht für voll nimmt, aber nicht mit Gesprächspartnern, mit denen man „reden“ will.