Akif Pirincci: Die große Verschwulung
Akif Pirincci ist ba-ba-pfui. Man darf in Diskussionen seinen Namen unter Gebildeten nicht in den Mund nehmen, sonst wenden sich Leute mit Grausen ab –selbst, wenn sie keine einzige Zeile von ihm gelesen haben. Um der Wahrheit die Ehre zu gebe: das hat sich Akif Pirincci selbst zuzuschreiben. Er ist nicht nur der erste Rechtsintellektuelle, der verbal genauso kräftig auf den Putz haut wie die Antifa physisch auf der anderen Seite, er schreckt auch vor Verbalinjurien und Beleidigungen nicht zurück, was es seinen Gegnern erleichtert, einer inhaltlichen Debatte auszuweichen. Sollte man die politischen Bücher von Akif Pirincci wegen ihrer partiellen Gossensprache deswegen nicht zur Kenntnis nehmen? Normalerweise ja, würde ich sagen, aber die Zeiten sind derart zugespitzt, die Verhältnisse haben sich derart ins Groteske verschoben, dass es vielleicht nicht mehr ohne das Brüllen geht, da moderatere Töne von der andern Seite ignoriert werden.
Was ist die Grundthese des vorliegenden Buches? Pirincci beklagt eine planmäßige „Verschwulung“ des deutschen Mannes durch eine Genderwissenschaft und Sexualpädagogik, die das Gleichgewicht der Geschlechter, die Stabilität der Familie und die Erziehung der Jugend derart aus dem Gleichgewicht gebracht hat, dass man um den Fortbestand unserer Gesellschaft fürchten muss – und das umso mehr, als gleichzeitig Hunderttausende junger Moslems von eben diese Gruppen zur Einwanderung eingeladen werden, wobei deren hanebüchene Vorstellungen über elementare Frauenrechte von der „Meinungsmafia“ merkwürdigerweise nicht thematisiert werden. Das ist ein grobes Bild, in grellen Farben gemalt, zu dem man viele Details modifizierend hinzufügen könnte. Aber im Grundsatz ist es nicht unplausibel. Wie lautet die Begründung?
Der erste, von Pirincci aufgespürte Verschwulungskatalysator ist die rotgrüne Sexualpädagogik, deren Leitsätze Pirincci in einer Form entfaltet, die man die „Methode der kommentierenden Beschimpfung“ nennen könnte. Unterhaltsam, aber Gift für jede inhaltliche Debatte. Was Pirincci an Beispielen bringt (leider ohne Quellenangaben) ist allerdings erschreckend, so erschreckend, dass ich die Behauptungen im Netz nachgeprüft habe. Sie stimmten. Man kann es drehen und wenden, wie man will, es existiert tatsächlich eine rätselhafte Neigung sogenannter fortschrittlicher Sexualpädagogen zur Totalsexualisierung des Alltagslebens, mit der sie am liebsten schon im Kleinkindalter beginnen möchten – und das ungeachtet möglicher Schäden, die Kinder dabei davontragen können. Das ist skandalös, aber noch skandalöser aber ist, dass diese Obsessionen nicht im Reich feuchter Träume verbleiben, sondern von offiziellen Stellen (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Bundeszentale für politische Bildung etc.) als „Expertenmeinungen“ popularisiert werden. Krassester Fall im weiten Feld derartiger Entgleisungen sind die Auslassungen einer Professorin Elisabeth Truider, die als „Sexualwissenschaftlerin“ das Einführen von Vaginalkugeln und Übungssitzungen zum Analverkehr für 13jährige empfiehlt. Selbst das könnte man im Rahmen einer freiheitlichen Gesellschaft, die jeden Quark geduldig erträgt, noch hingenommen werden, wenn nicht – ja, wenn nicht diese Sexualisierungs- und Verschwulungs-Lobby nach Pirincci einen unglaublichen Einfluss auf die Sexualkunde-Lehrpläne der rotgrünen Bundesländer besäße. Das bringt den Autor nun vollends in Rage. Sein Kommentar: die privilegierte Rolle von Schwulen und Lesben bei der Erstellung von Sexualkundelehrplänen komme ihm so vor, als ließe man Querschnittsgelähmte die Lehrpläne für das Fach Sport schrieben. Der in diesem Satz intendierte Vergleich eines Homosexuellen mit einem Schwerbehinderten halte ich allerdings für eine Entgleisung.
Als zweiten Verschwulungskatalysator, der auf diesem Sexualisierungskomplex aufbaut, beschreibt Pirincci die ungemeine erfolgreiche Einflussarbeit der schwulen und lesbischen Lobbyverbände. Wer sich gegen ihre sehr weitreichende Thesen stelle, würde sofort als homophob diskriminiert oder noch schlimmer – als Gegner der Gleichberechtigung geoutet. Im Schutz dieser Popanze und abgesichert durch rotgrüne Machtkartelle sei es Schwulen und Lesben nach Pirincci in den letzten beiden Jahrzehnten gelungen, ihre gendertheoretische Umwertung der Werte in das institutionelle Gefüge der UN, der EU und der meisten westlichen Staaten zu implementieren – was ihr nebenbei noch jede Menge universitärer Lehrstühle eingebracht habe. Auch das erstaunt den unbedarften Leser, aber auch das stimmt. Es gibt inzwischen in Deutschland mehr Lehrstühle für Genderwissenschaften als für Informatik, insgesamt fast zweihundert, was zu der Frage führt, was an diesen Lehrstühlen eigentlich gelehrt wird. Soweit man das vorliegende Schrifttum überblickt, ist es die Lehre von der völligen sozialen Determination der Geschlechtlichkeit, d. h. die These, dass man nicht als Mann oder Frau zur Welt komme, sondern sozial dazu gemacht werde. Arnold Schwarzenegger hätte also auch eine Frau werden können. Ein Herr Professor Voß, den Pirincci ausgiebig zu Wort kommen lässt, unterscheidet nicht weniger als 4000 Geschlechter und will die Gebärfähigkeit nicht alleine der Frau zusprechen. Wem an dieser Stelle die Scholastiker des Mittelalters einfallen, die sich darüber gestritten hatten, ob 4000 oder 8000 Engel auf einer Nadelspitze Platz finden könnten, ist selber schuld. Aber handelt es sich bei den Genderwissenschaften überhaupt um Wissenschaften? fragt Pirincci weiter. Haben sie sich jemals einer Evaluation stellen müssen, und zwar nicht nur einer selbstorganisierten, sondern einer strengen externen Bewertung? Nein, lautet Pirinciis Antwort. Der Genderismus ist eine Suppe, die im nur eignen Saft kocht, wenngleich andere sie auslöffeln müssen. Der Genderismus lässt sich nicht in die Karten schauen sondern schottet sich ab. Das musste der Wissenschaftsjournalist Hadmud Danisch erfahren, der von der Berliner Universität die Veröffentlichung ihrer Curricula, und Prüfungsordnungen anforderte, um den wissenschaftlichen Charakter des Genderismus zu überprüfen. Doch wohin Danisch auch kam, er wurde abgewiesen. Nach Prinicci natürlich nur, weil sich die Gender-Fraktion nicht als gigantischer pseudowissenschaftlicher Bluffer-Verein enttarnen lassen wollte. Aber es sollte noch besser kommen. Als Danisch beim Bundesverfassungsgericht auf Herausgabe der Gender-Curricula und Prüfungsordnungen klagte, wurde diese Klage ohne Begründung abgewiesen – unter maßgeblicher Einwirkung einer gerade erst frisch als Bundesverfassungsrichterin berufenen lesbischen Genderwissenschaftlerin Susanne Baer. Spätestens an dieser Stelle reibt sich auch der gutwilligste Leser die Augen. Aber auch das stimmt. Eine Recherche über Susanne Baer ergab, dass diese Frau Professorin praktisch nichts Juristisch Wegweisendes publiziert hatte. Sie hat überhaupt nichts Nennenswertes verfasst, was den Namen „Wissenschaft“ verdienen würde, sondern war in den 13 Jahren ihrer „Professoren“ Tätigkeit nur als Gutachterin für das Familienministerium aktiv gewesen. Dass SPD und Grüne diese Minderheitenlobbyistin, die nie ernsthaft als Juristin gearbeitet hat, als Bundesverfassungsrichterin mit zwei Drittel-Mehrheit, also auch mit Zustimmung der Union, haben bestellen können, ist unglaublich. Der Untergang einer Gesellschaft beginnt bei den Institutionen, hat Max Weber gesagt, und wenn man sich diese Sachverhalte klarmacht, kann einem angst und bange werden.
Das Buch endet mit einem pessimistischen Ausblick. Deutschland ist verloren, sagt Pirincci, weil die Gender-Protagonisten seine männliche Bevölkerung wehrlos gemacht haben. Gegen die südländischen Männer haben sie als verschwulte Pazifisten keine Chance. Diese Südländer sind jung und stark und werden sich nehmen, was sie brauchen. Und die jungen Frauen, die die Südländer heute mit „Refugee Welcome“ Plakaten begrüßen, werden bald blaues Wunder erleben, wenn bei uns Massenvergewaltigungszustände eintreten, wie sie heute schon in Schweden oder Norwegen anzutreffen sind. Ist das nun die Rache der Natur, die List der Vernunft oder einfach eine jener Paradoxien, um deren Aufdeckung sich das vorliegende Buch bemüht?
Soweit die aus meiner Sicht die wesentlichen Inhalte und des vorliegenden Buches. Es weist auf Erstaunliches und Erschreckendes hin, was wird niemand abstreiten können. Der Einfluss des Genderismus ist ein ähnlicher Skandal wie der Stellenwert der Eugenik unter den Nationalsozialisten. Schwachsinn im Dienst einer Ideologie. Piriniccis Buch enthält aber auch zahlreiche problematische Zwischentöne. Dass Homosexualität durchweg als Krankheit oder Makel beschrieben wird, ist ein Rückfall in mit recht überholte Denkmuster, denn es gibt Unzählige Homosexuelle, die keineswegs so sozialoffensiv zu Werke gehen, wie Pirincci unterstellt, sondern die einfach nur ihr Leben leben wollen wie Hinz und Kunz. Was Pirincci über Impotenz und Frigidität schreibt, ist mehr als fragwürdig – hier schüttet der Autor in seinen Bestreben, den Unsinn der ganzen Sexualwissenschaft nachzuweisen, das Kind mit dem Bade aus. Das Buch ist leider voller derartiger Übertreibungen, die zusammen mit der derben Sprache dazu beitragen, seiner durchaus richtigen und notwendigen Stoßrichtung zu schaden.