Das vorliegende Buch gehört zu der Sorte von Büchern, die man mit Vergnügen liest, sich aber am Ende fragt: warum eigentlich? 533 Seiten aus dem Leben des Pop-Literaten Johannes Lohmer, in denen nicht viel passiert, die aber absolut unterhaltsam daherkommen. Ist denn nicht alleine das schon Kunst? Zweifellos, möchte man sagen, aber wie funktioniert das? Zuerst und vor allem durch die Sprache des Autors, das sogenannte „Lottmann-Idiom“, eine leicht und geschmeidig dahinfließende Suada aus Witz und Tratsch und tieferer Bedeutung. Kein schiefer Satz, keine peinlicher Allegorie auf Hunderten von Seiten, dafür fetzige Charakterisierungen, zahllose Lacher und Pointen, das will gekonnt sein. Aber man darf sich nicht täuschen lassen. Lottmann ist kein literarischer Oliver Pocher, sondern seine Intention zielt tiefer. Er ist der Chronist des bundesrepublikanischen Mainstreams und Lottmann alter ego Johannes Lohmer ist sein flapsiger, lebensgeiler, lustiger und zugleich tief melancholischer Till Eulenspiegel. Dieser Till Eulenspiegel in der Narrenkappe eines vermeintlichen Erfolgsautors schwimmt wie der Fisch im Wasser durch eine endlose Reihe von Therapiesitzungen, Partys, Lesungen und Vernissagen und begegnet dabei zahllosen Bonsai-Genies seiner Generation, deren Namen ich zum Teil gar nicht kannte, die aber in der aktuellen Szene große Nummern sind. Möglich übrigens, dass dieses Klatschundtraschtundnamedroping auch ein Grund dafür ist, dass Lottmann gern gelesen wird. Herrlich etwa das Interview, dass der Protagonist mit einer linken Sozialpolitiken führt, entlarvend wie unbegabte Schreiberlinge durch emsiges Netzwerken auf ihre Redakteursposten kommen und atmosphärisch ungemein dicht die Schilderungen eines Abendessens im Berliner Schickimickilokal Borchart. So wie ich es sehe, beschreibt Lottmann wie ein frecher DDR-Literat in altvorderen Zeiten sein Milieu mit der augenzwinkernden Attitüde des Narren, dem man viel nachsieht, wenn er nur bestimmte Grenzen beachtet. Sogar seine schrille Freundin, die mit ihrem „porn style“ die mitunter etwas dröge Gesellschaft aufmischt, wird ihm nachgesehen. Manchmal aber sind die Portraits auch gnadenlos: das hechelnde Konkurrenzgehabe, die völlig gesichts- und erfahrungslose Popjugend, die Durchsexualisierung des gesamten Lebens, die Jämmerlichkeit der eigenen Hauptfigur sind eindeutig kritisch zu lesen – wenngleich sie immer mit der Narrenkappe daherkommen. In der Fadenscheinigkeit dieser Figuren ( einschließlich der eigenen) schimmert eine so beißende Kritik am eigenen Milieu durch, dass man sich wundert, dass nicht schon längst der eine oder andere Blockwart aus dem politisch korrekten Feuilletons Witterung aufgenommen hat.
Das ist mehr als die meisten literarischen Exundhoppundvergeessensautoren zustande bringen. Für einen Autor von Lottmanns Begabung ist es aber nicht genug. Langsam wird es Zeit, dass er die Grenzen des Mainstreams überschreitet und etwas deutlicher wird. Einen Anfang hat er in seinem neuesten Buch „Alles Lüge“ (siehe Rezension ebenda) ja schon gemacht.