Adorno hat einmal geschrieben, dass ein Kunstwerk, dass sich mir nicht entzieht, dass mich nicht verstört, mir nichts sagt. Nur wenn ich in der Kunst etwas anderes, Unerwartetes erkenne, bringt sie mich weiter. Mit der Literatur verhält es sich selbstverständlich genauso. Eine Binsenweisheit? Möglicherweise, aber ein Binsenweisheit um die sich kein Mensch schert. Denn die Kunst- und Literaturrezeption vollzieht sich heute in großen homogenen Echoräumen, von denen der sogenannte Mainstream der größte ist. Nichts, was wir von Eva Menasse, Julia Zeh, Herfried Münkler oder Martin Walser lesen, kann uns überraschen, die Meldungen der großen Zeitungen schon überhaupt nicht. Pressekampagnen in großen Echoräumen wirken wie Pawlow´sche Stimuli, denen ein Jubel-Reflex (Obama) oder ein Hass-Reflex (Trump) folgt. Dabei wäre doch gerade interessant gewesen, die Schattenseiten der Obama-Politik auch einmal zu beleuchten und auf der andern Seite wenigstens den Versuch zu unternehmen zu verstehen, warum Trump ganz entgegen dem Tenor der Mainstreampresse Millionen Menschen aus dem Herzen spricht. Wohlgemerkt, ich schreibe das, obwohl ich Mr Obama erheblich sympathischer finde als Mr. Trump – was aber nicht für die Politik Obamas gilt. Manch einer wird hier schon die Lektüre abbrechen, weil er nicht das findet, was er erwartet hat. Schade, auch wenn es bei dem vorliegenden Buch noch schlimmer kommen wird. Ich möchte es trotzdem vorstellen, nicht, weil ich mit seinen Thesen hundertprozentig übereinstimme, sondern weil es eine ganz andere Perspektive aufzeigt, die zu kennen niemandem wehtut, nicht dümmer macht und auch keinen Hautausschlag hervorruft.
„Der vertagte Bürgerkrieg“ von Felix Menzel und Pierre Aronnax versucht nicht mehr und nicht weniger als eine Gesamtbestimmung der gegenwärtigen Situation. Um einen berühmten Titel von Richard Ford zu zitieren: Wie ist die Lage des Landes? Völlig unbeleckt von den Wahrnehmungsvorgaben der politischen Korrektheit bestimmt Menzel unseren Staat als ein Gemeinwesen am Rande eines Bürgerkrieges, der merkwürdigerweise nicht ausbricht. Gedanklich unverkennbar in der Nachfolge des Marx´schen Denkens fragt Menzel zunächst nach der „revolutionären Situation“ und kommt zu dem Befund, dass eine solche tatsächlich vorliegt. Seie These: Die gegen Recht und Gesetz eingeleitete Massenzuwanderung von Millionen Muslimen, die damit verbundene Einschränkung des Landfriedens, die drohende Vermögensvernichtung im Zuge des erwartbaren Eurodesasters und die zunehmende Knebelung einer freien politischen Diskussion haben Deutschland so radikal verändert wie niemals vorher seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg. Trotzdem geschieht nichts. Der Widerstand bleibt aus, wird bestenfalls vertagt. „Von einem vertagten Bürgerkrieg kann gesprochen werden, wenn die Voraussetzungen für einen Gewaltausbruch oder eine revolutionäre Situation erfüllt sind, aber die Vitalität im Volk fehlt, diesen Umbruch zu wagen und jene Minderheiten, bei denen kein Mangel an Vitalität festzustellen ist, nur deswegen die Städte nicht niederbrennen, weil der Staat ihnen großzügige Sozialunterstützung zahlt“, heißt es auf S. 6 des vorliegenden Buches. Das ist ein grober Hobel und wird sicher vielen Zuwanderern, die sich aufrichtig um Integration bemühen nicht gerecht. Aber es beleuchtet doch einen bisher zwanghaft verschwiegenen Aspekt: die mangelnde Vitalität „derjenigen, die schon länger hier leben“ im Vergleich zur Vitalität der Zuwanderer, von denen sich viele – auch das gehört zur Wahrheit – in unerhörtem Umfang über das hinaus, was sie bekommen, nehmen, was sie brauchen. Was Menzel meint, wurde sehr deutlich, als vor einigen Jahren die konservative Regierung in Großbritannien die Sozialunterstützungen kürzte. Aufstände an den Peripherien der großen englischen Städte waren die Folge, wobei im Fernsehen jeder sehen konnte, dass die jugendlichen Randalierer keine Nahrungsmittel stahlen sondern Luxusläden und Fachgeschäfte für Elektronik plünderten. Die Exzesse auf der Kölner Domplatte 2015/6, aber auch der martialische Drohaufmarsch ein Jahr später gehören in die gleiche Kategorie.
Aber ein zweiter Aspekt, auf den Menzel hinweist, ist noch bedrückender. Er fragt nach den Akteuren eines möglichen Bürgerkrieges und identifiziert die rdikale Rechte, die rakikale Linke und den islmistischen Teil der Migrantenjugend. In realisitischer Einschätzung der Kräfteverhältnisse meint Menzel, dass die einzigen Kräfte, die eine Revolution oder einen Bürgerkrieg wenigstens versuchsweise in Gang setzen könnten, die radikale Linke im Verein mit der Migrantenjugend sind. Die gewaltbereite Linke und der gewaltaffine Teil der Migrantenjugend wären im Extremfall unserer Landespolizei weit überlegen, selbst ein Einsatz der Bundeswehr im Innern wäre noch keine Garantie für die Widerherstellung der Ordnung. Die Krawalle in den französischen Banlieus, in denen junge Moslems und radikale Linke gemeinsam die Polizei in die Flucht schlugen, waren nur ein Vorschein von Verhältnissen, die sich schnell ins Gesamtgesellschaftliche ausweiten könnten.
Und die schweigende Mehrheit, die von zwangsfinanziertem Staatsfernsehen, Massenzuwanderung und EU-Schuldenvergemeinschaftung die Nase voll hat? Die schweigt und leidet, da macht sich Menzel keine Illusionen. Schweigen und leiden sind aber keine Optionen, denn die Zuwanderung junger Moslems hält ungebrochen an, ganz gleich, was die geschönten Statistiken verkünden. Am Ende warten nach Menzel drei Szenarien auf das gealterte unvitale Volk: Bürgerkrieg, Sezession oder ethnische Säuberungen zuungunsten der Zuwanderer oder der sogenannten Bio-Deutschen.
Das sind nur einige der beunruhigenden Aspekte, die das Buch ohne Scheu anspricht. Eine Dystopie? „Bullshit“, wie ein ehemaliger enger Freund gerne urteilt? Panikmache? Leider nein, denn die Fakten, die in dem Buch genannt werden, stimmen – verstörend ist allein die Klarheit, mit der die Kräfteverhältnisse aufgewiesen werden. Sie alleine lohnt bereits die Lektüre.
Trotzdem stimme ich dem Autor in der Dramatik seiner Analyse nicht zu. Vereinfacht ausgedrückt: Der Patient ist krank, aber er steht noch nicht vor dem Exitus – und das gleich aus mehreren Gründen
- Die revolutionäre Situation, von der Menzel spricht, mag in Ansätzen erkennbar sei, aber da ist sie noch nicht. Auch wenn man seine Töchter nicht mehr nachts durch den Park joggen lässt, geht es den meisten finanziell so gut wie nie vorher. Das deutsche Volk ist also nicht nur unvital und relativ alt, sondern vor allem wohlhabend. Und Wohlhabende machen normalerweise keine Revolution.
- Wie Menzel selbst schreibt, funktionieren die deutschen Institutionen – vielleicht außer in NRW und Berlin (siehe Amri) – noch ganz gut und fangen manche der haarsträubenden politischen Entscheidungen auf. Vor allem die Polizei ist dabei, die importierten Gewaltherde exakter in den Blick zu nehmen.
- Ich glaube auch nicht an die überwältigende Apathie der Bevölkerungsmehrheit – einfach deswegen nicht, weil der tagtägliche Augenschein die Menschen darauf stößt, was Sache ist. Wer sich zum Beispiel ansieht, wie viele Zigtausende Anhänger der AfD der überwältigenden öffentlichen Stigmatisierung widerstehen und wie viele Millionen sie wählen, kann Hoffnung schöpfen, das ein Wandel auf friedlichem demokratischem Wege möglich sein wird. Wohlgemerkt, auch in der AfD gibt es jede Menge Querulanten und Karrieristen und sicher auch den einen oder anderen Rechtsradikalen, aber die überwältigende Mehrheit der AfD Mitglieder steht auf dem Boden des Grundgesetzes und erduldet Presseverdrehungen, Unterstellungen und Rufmorde in der Hoffnung auf einen demokratischen und gewaltfreien Wandel.
- Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: die Mehrheit der politisch Glattgebügelten, die heute im Chor der Konformisten singen, tun das ja nicht aus Überzeugung, sondern aus purem Opportunismus. Ich kenne Dutzende geistig vollkommen gesunder und begabter Mitmenschen, die in europäischen oder staatlichen Institutionen arbeiten und sich hüten werden, öffentlich „falsche Meinungen“ zu vertrete. Sie tun einfach, was alle tun nach dem Motto „50 Millionen Elvis Fans können sich nicht irren.“ Aber wenn der demokratisch organisierte gewaltfreie Widerstand erst ein gewisses Volumen erreicht hat, kann sehr Vieles sehr schnell kippen.
- Möglich auch, dass die international erkennbare Abkehr von der globalisierungseuphorischen Politik der bisherigen Funktionseliten, auch in Deutschland ein Umdenken bewirkt. Die USA und GB, Ungarn und demnächst die Niederlande lassen grüßen.
- Im Unterschied zu den irrlichternden Verlautbarungen der Kirchenoberen (wir erinnern uns: Marx und Bedford-Strohm, die Kreuzableger von Jerusalem) mehrt sich auch innerhalb der Kirchen der Widerstand gegen die vollkommen abgedrehte Politik der christlichen Selbsttaufgabe. Ich halte eine religiöse Revitalisierung des Christentums für denkbar. Sie würde aalles verändern.
- Ganz habe ich auch die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich die Christlich -Demokratische Union, als die große deutsche Partei der Mitte von der Merkelschen Deformierung wieder befreit und die Politik des gesunden Menschenverstandes, die ihr Handeln von Adenauer bis Kohl bestimmte, wieder aufgreift.
Alles in allem hoffe ich auch und nach der Lektüre des vorliegenden Buches auf die Kraft von Demokratie und Rechtsstaat. Schon allein die Tatsache, dass „Der vertagte Bürgerkrieg“ in Deutschland erscheinen kann, beweist das. Vielleicht bewirkt dieses Buch zusammen mit anderen Schriften sogar das gleiche, was auch dem Marx´schen „Kapital“ widerfuhr. Durch den Aufweis einer drohenden Katastrophe die Kräfte zu mobilisieren, die diese Katastrophe verhindern. Dafür müsste es massenhafter gelesen werden, was ich dem Buch wünsche.