Mitchell: Vom Winde verweht

  Margaret Mitchell war gerade mal Mitte Dreißig als sie ihren Roman „Vom Winde verweht“ vollendete. Er wurde sofort nach seinem Erscheinen ein gigantischer Publikumserfolg, wobei schwer zu sagen war, was die Leser mehr faszinierte: die Melodramatik der  Liebesbeziehungen der Hauptfigur Scarlett O ´Hara oder der bilderreich in Szene gesetzte Untergang der Südstaatenkultur am Ende des amerikanischen Bürgerkrieges. Schon wenige Jahre später wurde der Roman unter der Regie von Victor  Flemming und der  Produktionsleitung von David Selznick mit unglaublichem Aufwand verfilmt. Nicht nur seine Einspielergebnisse brachen alle Kassenrekorde, auch bei der Oscar Vergabe räumte der Film ab wie kein Streifen vor ihm.  In der Hitliste der besten Filme aller Zeiten hält sich „Gone with the Wind“ seit Jahrzehnten stabil unter den Top Ten. Dass Einspielergebnis weltweit geht  in die Milliarden.

Und doch hat der Zeitgeist mittlerweile auch hier zugeschlagen. Dass Buch und Film die Sklaverei in den Südstaaten mit einem harmonisierenden Zuckerguss präsentierten, war immer schon unbestritten gewesen. Doch galt diese Kritik gegenüber der unbestreitbar epischen Qualitäten des Werkes bislang als eher  marginal. Das hat sich mit dem Siegeszug der Antirassismuskampagnen in den letzten Jahren geändert. Für die Vertreter der Identitiätspolitik und „Critical White Theory“,  die seit zehn Jahren zunehmend das intellektuelle Klima an den amerikanischen Hochschulen bestimmen, gehören Roman und Film in den Mülleimer der Geschichte So weit wollte die Streamingplattform HBO zwar nicht gehen, aber sie nahm doch im Jahre 2020 den Film wegen „rassistischer“ Perspektiven zeitweise aus dem Programm und hat ihn erst vor kurzem, mit einem erläuternden Appendix wieder zugelassen. Gut möglich, dass der Film in ein paar Jahren, wenn der Siegeszeug des sogenannten „Antirassismus“ weiter an Fahrt gewinnt,  ganz verboten werden wird.

Was ihren Lebenslauf betraf, so war Margaret Mitchell alles andere als eine Rassistin gewesen, sie hatte sich  für eine bessere Ausbildung afroamerikanischer Kinder und eine gemischte Notfallopferaufnahme in den Krankenhäusern Atlantas eingesetzt. Aber auch das wird ihr mittlerweile von den Kritikern als „weißer Paternalismus“ zum Vorwurf gemacht.  Am 11. August 1949 wurde sie auf der Peachtree Street  von einem betrunkenen Taxifahrer überfahren und so schwer verletzt , dass sie fünf Tage später verstarb.

 

Kommentar verfassen