Montecino: Kalt wie Gold

Der Kriminalroman ist der Gesellschaftsroman unserer Tage, jedenfalls wenn er in der meisterhaften Form wie das vorliegende Buch daherkommt. „Kalt wie Gold“ erzählt die Geschichte des jüdischen Polizisten Jack Gold, der seit dreißig Jahren in Los Angeles Verbrecher und Halunken jagt und dabei den Menschen, mit denen er umgeht, immer ähnlicher geworden ist. Unübersichtlich und differenziert wie das Umfeld in dem er sich bewegt, ist auch sein Charakter, sein Leben ist ein Trümmerfeld, doch seine Vitalität bleibt ungebrochen. Einfach und konturenarm kommt in dem Roman nur das Verbrechen daher, das Böse ist eindeutig, das Gute ist  kompliziert und niemals ganz sauber. Anspruchsvoll wie die Psychologie der Figuren ist auch die Sprache, in der das Buch erzählt wird.  Die rasend schnell wechselnden Schauplätze werden in präzisen, analytischen Sätzen beschrieben, hier und da schimmert sogar eine Art Zeitanalyse durch: Amerika, so erzählen sich die Cops ist in das Zeitalter der Minderheiten eingetreten (die Handlung spielt in den Sechziger Jahren), und bald, so die Befürchtung,  werden die Kokser, Ehebrecher und Schlawiner die höchsten Stellen der Gesellschaft erklommen haben (Bill Clinton war bei der Abfassung des Buches in den Achtzigerjahren bereits Präsident). Jack Golds Schwiegersohn, selbst Anwalt, ist bereits in Drogengeschäfte verstrickt,  sein gesamtes Umfeld ist korrupt und gewalttätig, die Familien sind zerbrochen, die Kinder  geraten auf die schiefe Bahn, und nirgendwo ist Hoffnung auf Besserung in Sicht. Beeindruckend, welchen erzählerischen Sog dieses imposante 600 Seiten-Werk entfaltet. Gegenüber der Atmosphäre dieses amerikanischen Totentanzes tritt die Handlung fast in den Hintergrund tritt – ohne jemals langweilig zu sein.

Für mich war dieser Autor eine echte Entdeckung, mehr noch: ein Talent, das Figuren wie Kerouac oder Bukowski weit überragt ohne wirklich in der Form gewürdigt zu werden, die ihm angemessen gewesen wäre. Leider aber ist Marcel Montecino auch ein Exempel dafür, dass manche Autoren, die dem Mileu verhaftet sind, über das sie schreiben, ihm letztlich zum Opfer fallen. Marcel Montecino (1945-1998) ist,  nachdem ihm endlich der literarische Durchbruch gelungen war, in den späten Neunziger Jahren  von Alkohol und Drogen umnebelt als gebrochener Mensch gestorben. Farewell Jack Gold, und danke für dieses Buch.

 

 

 

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