Große Oper – ist das nicht eine Chiffre für große Gefühle, große Kunst und große Skandale? Wen würde es deswegen nicht interessieren, einen Blick hinter die Kulissen einer Opernbühne zu werfen, und sei es auch nur in einem kleinen Haus im Badischen? Hier wirken Jan, der Korrepetitor, Babs, die Regierassistentin, die Sängerin Kazurko, der Kapellmeister Laurent und viele andere mehr, die an die Musik ihr Herz verloren haben und die wahlweise der Anfang, die Sackgasse oder das Ende ihrer Karriere an eine Provinzopernbühne verschlagen haben. Unfähige Generalmusikdirektoren, Gastregisseure, Intendanten, Kritiker, Familien und Affären lassen Hoffnungen platzen oder sprießen. Rivalitäten werden ausgelebt, Intrigen gesponnen, Liebeshändel verknüpft und gelöst, und hinter allen Mühen und Demütigungen steht eine anrührende Liebe zur Musik. Diese Liebe zur Musik aber hat etwas Grausames. Es ist eine Liebe, die um das Absolute, das Großartige weiß und es manchmal ( oder oft ) in der eigenen Leistung nicht hervorrufen kann.
Die Autorin, ganz offenbar eine intime Kennerin der Musik und der Szene, versteht es meisterhaft, die hinter diesen Hoffnungen verborgenen Schicksale in ungemein anschaulichen Skizzen darzustellen (hier einige Zitate) – mehr noch: das ganze Opernhaus erscheint in dem vorliegenden Roman wie ein Panoptikum des modernen Kulturbetriebes, wo vieles mit Pultstürmerei und nicht nur mit Talent zu tun hat. Schon nach wenigen Seiten fühlt sich der Leser wie ein Mitglied des Ensembles, mit dem er hofft und leidet. Er lernt und erinnert sich an die Marotten der Hauptfiguren wie der Komparsen und begleitet das gesamte Ensemble durch fünf Aufführungen, die wie eine Einführung in das Oper-Repertoire daherkommen: Tristan und Isolde, Figaros Hochzeit, Fidelio, Die Fledermaus und Verdis Requiem. Mit einem guten Chardonnay und einer Solti-Aufnahme von Figaros Hochzeit an einem Wochenende vorzüglich zu lesen.