Nabokov: Pnin

„Ich weiß nicht, ob jemals festgestellt wurde, dass ein Hauptmerkmal des Lebens die Separatheit ist. Wenn uns keine Fleischesschicht umhüllt, sterben wir. Der Mensch existiert nur in dem Maße, in dem er sich von seiner Umwelt abgesondert ist;“ heißt es auf Seite 22 des vorliegenden Buches. Das ist natürlich nicht nur biologisch sondern auch sozial gemeint – ohne den richtig einjustieren sozialen Abstand, ohne die Intaktheit einer sozialen Membrane, aus der heraus wir existieren können, droht der soziale Tod. Professor Pnin, der Protagonist des vorliegenden Buches, ein nur gebrochen englisch sprechender russischer Universitätsdozent, besitzt diesen sozialen Abstand nicht. Sein Aussehen befremdet, sein Radebrechen ebenfalls, seine Ehrlichkeit, sein Humor alles ist schräg und komisch, so dass er das ist, was man heute als ein etwas peinliches „enfant terrible“ bezeichnen würde.

Pnin ist nach dem russischen Bürgerkrieg nach Europa geflohen, hat dort die wunderschöne aber seelisch verödete Lisa geheiratet, wurde von ihr betrogen, emigrierte dann mit ihr zusammen nach Amerika, wo er wieder von ihr hereingelegt wurde, ehe er sich, als seine Ex dazu keine Lust mehr verspürte, um ihren Sohn kümmert. In der Zwischenzeit lernt Pnin Autofahren, erzielt ein paar Mal um, bezieht schließlich ein Haus, gibt eine Einweihungsparty, an deren Ende er erfährt, dass er von der Universität gefeuert werden soll. Erzählt wird die Geschichte von einem Freund, einem ominösen N., der Pnin, wie es im Nachwort heißt,  dem Publikum als ebenso komischen Kauz vorstellen will wie Cervantes seinen Don Quichotte. Und das Großartige an dem vorliegenden Roman soll nun sein, dass der Leser, je weiter das Buch voranschreitet, dem etwas herablassenden Erzähler N. immer ungewogener wird und am Ende dem armen Pnin seine ganze Sympathie kommen lässt.

Um ganz ehrlich zu sein: sonderlich viel habe ich von dieser dreimal um die eigene Achse gewendeten Romanstruktur nicht gemerkt. Auch Nabokovs brillante Beobachtungsgabe, seine ungemein treffende Sprache kommt in dem Buch bei weitem nicht so zum Tragen wie in seinem Klassiker „Lolita.“ Die Handlungsführung erscheint  mühsam, irgendeine Entwicklung der Hauptfigur ist nicht zu erkennen, sogar die Dialoge kamen mir hier und da ganz schön hölzern vor,  so dass ich am Ende gar nicht mehr wusste, mit wem ich mehr Mitleid haben sollte: mit dem armen Pnin oder mit mir, der ich mich durch ein nicht sonderlich unterhaltsames Buch quälten musste. Meiner Ansicht nach wirklich nur etwas für Nabokov Junkies der ganz überzeugten Sorte.

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