Pfister. Ein falsches Wort. Wie eine neue linke Ideologie aus Amerika unsere Meinungsfreiheit bedroht.

René Pfister ist ein in der Wolle gewaschener Spiegel-Journalist. Er fühlt sich unwohl in einer Gegend, die ihn ein Friedrich Merz erinnert und es tut ihm gut, wenn rund um seine Wohnung Regenbogenflaggen flattern. Trump ist für ihn ein Verhängnis und links die Richtung des progressiven  Fortschritts.So weit, so  eintönig möchte man sagen, wenn sich nicht eben dieser linke Autor in den vorliegenden Buch daran machen würde, die Linksexzesse seines eigenen Lagers aufzulisten und zu kritisieren. Hoppla, denkt man, gibt es tatsächlich noch Linke, die ihre Scheuklappen lüften und ihre Narrative verlassen? So weit würde ich bei Rene Pfister nicht gehen, denn seine Kritik an den Exzessen der modernen Wokeness kommt mit dem permanenten Vorbehalt daher, dass die Rechten selbstverständlich noch viel schlimmer sind.

Aber geschenkt, trotzdem bietet das vorliegende Buch eine Überblick über die Exzesse einer  Kulturrevolution, deren wahres Ausmaß erst jetzt, da sie die poltisch-medialen Bereich fast vollständig erobert hat, allen sichtbar wird. Wer Interesse daran hat, die maßgeblichen Veröffentlichungen antirassistischer, gendertheoretischer, migrationseuphorischer und intersektionaler Autoren samt ihrer Rezeption nachzuvollziehen, ist mit dem vorliegenden Buch deswegen gut bedient. Es berichtet aus redaktionellen und universitären Biotopen, in denen buchstäblich der Teufel los ist und ein falsches Wort das Ende ganzer Karriere bedeuten konnte.  Eine sogenannte „akademische“ Minderheit, die nie und nimmer irgendeine Wahl gewinnen, könnte, verfolgt wie eine Stasi mit einer rätselhaft unbezwingbaren Macht nicht nur abweichende konservative, sondern auch moderate linke Meinungen. Es ist fast so wie bei den stalinistischen Säuberungen: es erwischt immer öfter auch diejenigen, die lange Zeit mit den Wölfen geheult haben, wenn sie irgendein falsches Wort aussprechen, an denen eine kleine radikale Minderheit Anstoß nimmt.
Was ist der Kern dieses neuen woken Totalitarismus? Die Antwort auf diese Frage muss sich der Leser aus den zahlreichen Fallgeschichten des vorliegenden Buches selbst zusammenreimen. Es geht im wesentlichen um viererlei:

  • Die Überzeugung, dass alle Menschen zutiefst von ihrer Rasse determiniert sind – die Schwarzen, und Latinos als Opfer (bei Asiaten ist man sich nicht so sicher), die Weißen immer als Täter, Nach der sogenannten „Citical White Theory“ heißt Weißsein immer  verderbt und schuldig zu sein, ohne auf Vergebung hoffen zu können.  Das einzige, was Weiße tun können, ist sich  Tag und Nacht über die Süden ihre Väter und ihre eigenen Privilegien zu grämen Im Kern ist diese Auffassung natürlich ein neuer, umgekehrter Rassismus, aber weder in den großen Zeitungen noch an den maßgeblichen amerikanischen Universitäten wird diese Dialektik in hinlänglich Breite artikuliert, ganz im Gegenteil, wer sie auch nur in dieser Richtung äußert, riskiert seinen Job und seine Karriere.
  • Die Überzeugung von der völligen Verfügbarkeit der eigenen geschlechtlichen Identität. Die Unterscheidung von Mann und Frau ist skandalös – stattdessen kann jedermann/jederfau (schon diese Schreibweise ist ein Unding!) seine geschlechtliche Identität jederzeit wechseln. Selbstverständlich muss diese Fluidität auch in der Schrift zum Tragen kommen.
  • Die Überzeugung, dass jeder Mensch leben kann, wo immer er will und Anspruch darauf hat, in jedem Staat seiner Wahl aufgenommen zu werden. Weltweite Migration ist ein elementares Menschenrecht und ein Segen für die Menschheit zugleich.
  • Klassische meritokratische Qualifikationen sind menschenverachtend. Positionen müssen nach Quoten vergeben werden, bei denen Minderheiten systematisch bevorzugt werden. Claudine Gay, die mit nur elf (gemeinschaftlich verfassten) Aufsätzen Präsidentin von Harvard (!) wurde, lässt grüßen.

Der normale Mensch kann angesichts dieses geballten Schwachsinns nur den Kopf schütteln, aber das reicht nach Pfister nicht mehr. Man muss auch fragen, wie es so weit hat kommen können. An einer Stelle beschreibt Pfister diese Entwicklung auch als ein Generationenbruch, der etwa ab der Jahrtausendwende einsetzte, als eine neue Generation extrem linkssozialisierter Studenten in die Redaktionen, in die Tech-Konzerne, in Behörden und Parteien eintraten und die alten „klassischen“ Linken an die Wand drängten.   Im Zuge dieser Entwicklung sind sowohl Harvard wie die New York Times, ehemalige Glanzlichter der  amerikanischen Universitäts- und Presselandschaft zu Schanden gegangen.
Kein Wunder, dass diese Kulturrevolution in den USA eine Gegenbewegung hervorgerufen hat. Dass diese Gegenbewegung durch die republikanische Partei und hier besonders durch Donald Trump präsentiert wird, macht dem Autor schwer zu schaffen, und er gibt sein Bestes, die konservative Seite als genauso schlimm oder eher noch schlimmer darzustellen, als die Vertreter der Wokeness. Der Autor kritisiert das eindeutige Votieren der demokratischen Partei für das woke Lager, weil sie damit für die Bevölkerungsmehrheit unwählbar wird und damit den Konservativen den Weg ebnet.

Am Ende kommt der Autor auch auf die deutschen Verhältnisse zu sprechen. Am Beispiel von Saskia Esken, Kevin Kühnert Jan Böhmermann und anderen zeigt er wie dominant bereits jene Kräfte sind, die alles dafür tun, einen freien Austausch der Meinungen abzuwürgen. Darin kann er als Alt-Linker kein Interesse haben, weil diese radikale Beschneidung des Meinungskorridors langfristig die Machtergreifung der Konservativen begünstigen wird. Im Grunde ist die Angst vor diesem „roll-back der Rechten“ die Motivation, aus der heraus Pfister sein Buch geschrieben hat. Der „Tugendterror“ der woken Jakobiner ist schlimm, aber noch viel schlimmer wäre es, wenn sie mit ihren Exzessen einen Wahlsieg der Rechten vorbereiten würden. Wenn es doch nur so wäre, denkt der Leser, am Ende dieses Buches.

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