Wer durch Wyoming reist, insbesondere durch die Region von Big Horn und Cody oder wer das Glück hat, die großen Parks zu besuchen und die Natur in ihrer Pracht und Weite zu erleben, kann leicht zu der Auffassung kommen, hier wäre endlich eine Landschaft gefunden, die dem Menschen ein ihm gemäßes Leben erlaubt. Selten habe so stark empfunden, wie notwendig es ist, zusätzlich zu diesen Impressionen die Literatur von Menschen vor Ort zu lesen, um die oberflächlichen Reiseeindrücke zu ergänzen. In Annie Proulx‘ „Hinterland“ begegnet dem Leser zum Beispiel ein ganz anderes Wyoming: „Die Trockenheit wurde immer schlimmer“, heißt es etwa in der Geschichte „Was für Möbel Jesus aussuchen würde“, „Heuschrecken tauchten bereits im April auf, was eine Plage im August verhieß. Das Gras knackte unter seinen Füßen wie Eierschalen. Die Landschaft war farblos, der alkalische Staub entfärbte Gras, Steine und sogar den Erdboden. Wenn ein Fahrzeug auf der Straße vorüberfuhr, breitete sich eine feine Staubwolke aus, die sich nur langsam legte. Die Hitze hatte jeden Geruch in der Luft erstickt bis auf die schwache Ausdünstung alten Pappkartons, die der Kalkstaub absonderte.“(S. 79f)
Der Rancher Gilbert Wolfscale, die Hauptfigur dieser Geschichte, wird durch diese Natur in die Knie gezwungen. Zugleich erlebt er die verhängnisvollen Zeichen einer neuen Zeit: Methangasbohrungen, Grundwasservergiftung, Scheidung, verweichlichte, anspruchsvolle Kinder, die das Rancherleben hassen und sich kaum gerade auf den Pferden halten können, verbittern ihm den Alltag. Am Ende ist er ein Relikt, ein alter, verlassener Mann, von dem die Zivilisation abfällt „wie Federn von einem gerupften Huhn.“
Gegenüber dem ersten Kurzgeschichtenband „Weit draußen“ von Annie Proulx, der durch „Broke Back Mountains“ weltberühmt wurde, enthalten die in diesem Band versammelten Erzählungen wenig Neues. Das macht aber nichts, weil man nach der Sprache und den Figuren von Annie Proulx geradezu süchtig werden kann. So sehr sie nämlich die Gegenwart kritisiert, in ihren Helden bewahrt sie die Ahnung von einer heileren, besseren Welt in einem weiten Land, die letztlich aber nur ein Traum ist, aber ein Traum, den jeder gerne träumt.