Reich-Ranicki: Meine Geschichte der deutschen Literatur

 P Thomasanz beschreibt in der Einleitung des vorliegenden Buches MRR als einen  Kritiker neuen Stils, einen Meister des Fernsehens und als  jemanden, der literarische Kritik mit Verständlichkeit verbinden konnte. Da das vorliegende Buch  MRRs Beiträge aus einem ganzen Kritikerleben bündelt, gab es also für einen Nichtgermanisten wie mich jede Menge zu lernen.

So habe ich die einzelnen Artikel des vorliegenden Buches wacker durchgearbeitet und mich an der unglaublichen Belesenheit des Großkritikers gelabt. Allein schon die kurzen Nacherzählungen ellenlanger Werke lohnten die Lektüre. Die Kritiken, besonders die Verrisse, sind von einer giftigen, unterhaltsamen Witzigkeit.   Wenn ich mir trotzdem die eine oder andere  kritische Anmerkung gestatten darf, würde ich sagen:  Längst nicht alle Beiträge des Buches erreichen das gleiche Niveau. Es wabert auch viel heiße Luft zwischen den Buchdeckeln, wenn ich nur an den Beitrag über Dürrenmatt denke. Mir fiel außerdem auf, dass sich MRR manchmal von der Pflicht einer stichhaltigen Begründung seiner Kritik durch eine flotte Metapher drückt.

Wie es bei einem langen Leben nicht sein kann, befinden sich auch extreme Fehlurteile in dem vorliegenden Buch, der bekannteste ist  der Verriss der „Blechtrommel“ von Günther Grass.  „Nicht selten ist das Feuer dieser Prosa echt“, schrieb MRR gönnerhaft. „Aber von dem Wasser ist allzu viel da – und wir haben es nicht immer mit sauberem Wasser zu tun. Seine große stilistische Begabung wird Grass zum Verhängnis. Denn er kann die Worte nicht halten. Sie gehen mit ihm durch. Er wird immer wieder geschwätzig. Wäre der Roman um mindestens zweihundert Seiten kürzer, er wäre – wenn auch sicher kein bedeutendes Werk – doch weit besser.“

.Immerhin hat MRR sein Urteil später unter dem Druck des weltweiten Erfolges revidiert.   Hier war einer, der offensichtlich noch größer war als er selbst, und das implizit anzuerkennen war schwer und nötigt Respekt ab

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