Unter allen Bergsteigern der Gegenwart dürfte es niemanden geben, bei dem sich die Geister derart scheiden wie bei Reinhold Messner. An seinen schier unglaublichen Leistungen in Gebirgen, Wüsten oder an den Polen kann es nicht liegen – sie haben ihn zum bedeutendsten Extremsportler der Gegenwart gemacht. An dem, was Messner in seinen unzähligen Veröffentlichungen von sich gibt, aber auch nicht, denn bei all seinen Erstbegehungen und Durchschreitungen ist der Südtiroler Bauernsohn selbstkritisch und reflektiert geblieben und mit einer Bescheidenheit ausgestattet, die man vielen seiner unbedeutenden Verächtern von Herzen wünschen würde. Der Titel des vorliegenden Buches „13 Spiegel meiner Seele“ aber gibt vielleicht eine Antwort. Man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass sich unter den intellektuellen Reflexionskünstlern in den Feuilletons nur sehr wenige Personen befinden, die jemals in ihrem Leben über 8000 Höhenmeter hinausgekommen sind und man wird sich ebenso wenig irren, wenn man unterstellt, dass unter denen, die sich in diesen Todeszonen regelmäßig bewegen, die Neigung zur Selbstenthüllung nicht übermäßig entwickelt ist. So ist es diese seltene Kombination zweier Begabungen, die die jeweils andere Gemeinde über Kreuz enttäuschen und das ihre dazu beitragen mag, Messner in den unverdienten Ruf eines Scharlatans zu bringen.
Wie aber sieht Messner sich selbst? An einer Stelle in dem vorliegenden Buch vergleicht er den Bergsteiger am Fuße einer Riesenwand mit einem Künstler, der ein Werk hervorbringen möchte – nur eben nicht mit den Leinwand und Pinsel sondern mit sich selbst als Bestandteil der Natur. Dieses Kunstwerk, das den Menschen und „auch die Wand“ verändert, führt zur Wahrheit und Erkenntnis – eben zur Erkenntnis dessen, was mein Weisen ausmacht. „Ich bin, was ich tue“, betont Messner in dem vorliegenden Buch, ganz gleich, ob er Grönland zu Fuß durchwandert, die Takla-Makan durchquert, den Kailash umrundet oder in Patagonien klettert. „Ich bin was ich tue“, gilt aber auch, wenn er in Verona eine Präsentation entfaltet, seine Fluchtburg Juval einrichtet oder eine neue Rolle in der Familie findet. Betrachtet man diese und andere der 13 Spiegelansichten der Messnerschen Persönlichkeit, dann wird deutlich: Messner ist es bitterernst mit sich, er macht nichts gleichsam nebenbei sondern ist immer hochkonzentriert bei der Sache. Solcherlei zu verfolgen ist für den Normalmenschen seiner Erscheinungsform als Flachländer durchweg von hohem Interesse, wenngleich hier und da eine Spur Selbstdistanz, ein Quantchen Ironie dem Buch sicher gut getan hätte. Aber auch mit diesem Einwand wird man Messner nicht gerecht: denn mit Selbstdistanz und Ironie wird niemand zu Fuß durch die Antarktis kommen. So schlägt man das Buch am Ende tief beeindruckt aber auch mit dem Gedanken zu: Oh, Reinhold, werden wir dich je verstehen?