In den letzten Jahren bin ich immer wieder drei Fehlformen der Literaturkritik begegnet. Die erste nenne ich die „eitle“ Variante. Ein arrivierter und erfahrener Rezensent nimmt sich mit der ganzen Breite seiner Bildung und Sprachkunst ein unbedeutendes, schlechtes Buch vor und gießt auf durchaus unterhaltsame Weise Spott und Hohn darüber aus. Sicher, das Buch hat einen Verriss möglicherweise verdient, aber den Leser beschleicht bei solchen Rezensionen doch ein Gefühl des Fremdschämens, als trete ein Erwachsener gegen ein Kind an und vermöbele es nach allen Regeln der Kunst. Besser wär es gewesen, ein solches Buch überhaupt nicht zu beachten, weil es unterhalb des Niveaus liegt, auf dem man argumentieren möchte. Namhafte Kritiker haben diese Maxime zum Beispiel bei Heiko Maas „Aufstehen statt Wegducken. Eine Strategie gegen rechts“ beherzigt.
Die zweite Fehlform der Literaturkritik nenne ich die „ignorante“. Sie ist seltener, aber nicht minder peinlich. Ein Rezensent, der dem Buch weder im Hinblick auf Methodik, Inhalt noch Stil auch nur annähernd gewachsen ist, macht ein Buch mit „kritischen“ Anmerkungen nieder, die nichts weiter enthüllen als die völlige Unbedarftheit des Rezensenten. Am deutlichsten habe ich diese mimikriartige Schrumpfform der Kritik bei den Rezensionen der Bücher von Hans Werner Sinn bemerkt. Sowohl bei den Besprechungen von „Kasino Kapitalismus“ als auch von „Der schwarze Juni“ wurde deutlich, dass die Rezensenten von Wirtschaft rein gar nichts verstanden und sich stattdessen mit moralischen Herumgelalle begnügen mussten.
Eine dritte Variante lässt sich in Rainer Hermanns Rezension des Sarrazinbuches „Feindliche Übernahme“ nachweisen. Zwei lächerliche Quisquilien, die mit der Substanz des Buches auch nicht das Mindeste zu tun hatten, genügten dem FAZ Journalisten, das erstklassig recherchierte 460 Seiten Werk in den Orkus zu schicken. Besser wäre es gewesen, sich mit der gut belegten Grundthese des Buches auseinanderzusetzen. Dass der Autor das wissentlich nicht getan hat, lässt an eine dritte Schwundform der Literaturkritik denken: die „perfide“ Literaturkritik. Bei ihr weiß der Autor sehr wohl um den Wert des Werkes, doch er versucht, es anhand von Quisquilien herunterzuziehen.
Womit wir beim neuesten Buch von Thilo Sarrazin wären. „Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“ schließt nahtlos an Sarrazins kritische Werke zu Deutschland, dem Euro und der politischen Korrektheit an und kommt ebenso faktengesättigt und schnörkellos daher. Wer dieses Buch auch nur überschlägig liest, kann nur den Kopf schütteln über den Unsinn, den man in den Rezensionen darüber zu lesen bekommt. Ob FAZ, ZEIT oder WELT, immer wird aus der Vogelperspektive heraus mit diffusen „Widerlegungen“ argumentiert, die keinem Detailcheck standhalten. Besonders peinlich in diesem Zusammenhang erscheint die „Kritik“ des Kriminologen Thomas Feltes an Sarrazins Darstellung der muslimischen Überrepräsentanz im Bereich von Kriminalität und Gewaltdelikten.
Was man in Wahrheit vor sich hat, ist ein umfassender Wurf, der das „Problem Islam“ aus den unterschiedlichsten Perspektiven systematisch entfaltet. Geradezu erschreckend erscheint die Detaillektüre des Korans und der kanonisierten Mohammed Überlieferung (Hadhite) im ersten Buchkapitel, nach denen den Ungläubigen alle Qualen der Hölle an den Hals gewünscht werden. Auch wenn diese Suren inzwischen einigermaßen bekannt sein dürften, besitzt die Häufung der Verwünschungen, mit denen der Prophet Andersgläubige bedenkt, geradezu schockierend. Wer angesichts dieser Aussagen, nach muslimischer Überzeugung das geoffenbarte Wort Gottes, noch immer vom Islam als der „Religion des Friedens“ spricht, hat nicht alle Tassen im Schrank – oder er lügt. Aber Islam als Verkündigungssystem propagiert nicht nur Gewalt gegen Andersgläubige, auch mit seinen Anhägern steht weltweit nicht alles zum Besten, Auf dem Hintergrund einer breiten Faktenbasis dokumentiert Sarrazin die auffälligen Intelligenz- und Kulturdefizite muslimischer Gesellschaften, ihre genetische Probleme aufgrund der weit verbreiteten Verwandtenehen, die durchgängige Benachteiligung anderer Religionen, wo immer Muslime die Mehrheit stellen und last noch least: das Ausbreitungsnarrativ als Erbe der noch immer wirksamen Nomadenmentalität. Sehr konzentriert kommt der Überblick über die islamische Staatenwelt und über die in ihr herrschende Ineffizienz, Korruption und Unterdrückung daher. Hart fällt etwa das Urteil über Indonesien aus, dessen Beispiel zeige, wie ein liberaler und toleranter Islam von der Übermacht der Fundamentalisten zurückweicht Was Sarrazin im Kapitel über die europäischen Zuwanderungsmuslime ausführt, wirkt wie ein Update seines Buches „Deutschland schafft sich ab“ – nur, dass die Verhältnisse noch viel schlimmer geworden sind. Schulische Unbildung und Vandalismus, Clanstrukturen, Kriminalität und Unterdrückung der Frau ergeben in ihrer Gesamtheit geradezu ein idealtypisches Gegenmodell zur liberalen Gesellschaft westlichen Typs, angesichts derer es verwundert, wie man angesichts dieser Sachverhalte gerade als Linksliberaler einer weiteren ungebremsten Zuwanderung von Muslimen das Wort reden kann.
Warum also die wütende, teilweise hasserfüllte Kritik der Linken an diesem soliden und fundierten Werk? Die Antwort ist ganz einfach. Weil Sarrazins Argumente nicht nur dem Islam ein schlechtes Zeugnis ausstellen sondern auch den größten Teil der linken Ideologeme über den Haufen werfen. So stört sich der WELT-Rezensent Torsten Krauel an den „genetischen Argumenten“ Sarrazins, ohne auf dessen Daten zu den Effekten der Verwandtenehen wirklich einzugehen. Auch dass Sarrazin unbekümmert Daten zu Vererbung und Intelligenzforschung heranzieht, ist für ideologische Mainstreamer ein No-go, denn Intelligenz ist nichts weiter als umweltbedingt. Basta! Ganz besonders ärgerlich ist übrigens auch, dass man Sarrazin bei seinen Koran-Zitaten nicht widersprechen kann. So steht es geschrieben, das glaubt der Muslim, und damit kommt man als Rotgrüner nur zurecht, wenn man so tut, als gäbe es diese Suren gar nicht.
Sollte sich diese Ignoranz des rotgrünen Lagers, die den Islam gleichsam unter „Naturschutz“ stellt, weiter perpetuieren, wird es angesichts der demografischen Überschüsse muslimischer Parallelgesellschaften nur noch zwei, drei Generationen dauern, bis der Islam in Deutschland die Mehrheitsgesellschaft stellt. Dann wird es für die Nachfolger von Claudia Roth, Volker Beck, der Grünen und der Linken ein böses Erwachen geben, denn überall, wo es dem Islam gelingt, die Mehrheit zu stellen, ist es mit Friedfertigkeit, Toleranz und Minderheitenrechten schnell vorbei. Im letzten Kapitel „Was man tun muss“, geht es darum, wie genau dieser Fall verhindert werden kann. Sarrazin plädiert für einen radikalen Kurswechsel, für ein Ende des „Wunschdenkens“ bei den Multikulti-Adepten, für einen Stopp der sozialstaatlichen Rundumversorgung und für klare und sanktionsbewehrte Regeln, an denen sich alle Einwanderer, wenn sie im Land leben wollen, orientieren müssen.
So weit, so klar und richtig. Aber wird das Buch seinen Zweck erfüllen und zu einem Umdenken beitragen? Ich glaube nein, denn über alles, was derzeit kontrovers diskutiert wird, die Eurorettung, die Zuwanderung, die Grenzöffnung, die Energiewende oder die Verwandlung Merkeldeutschlands in einen postdemokratischen Verordnungsstaat sind bereits grundlegende und gute Bücher geschrieben worden. Doch sie bewirken nichts, weil die, die sie lesen, in ihren Lesesesseln verbleiben und sich nicht entschließen können, sich zu wehren. Aber es soll am Ende niemand sagen, er hätte es nicht gewusst.