Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich nicht nur um eine philologische Monographie über den „Bellum Gallicum“ (Der Gallische Krieg). Sein besonderer Wert liegt über die literaturwissenschaftlichen Passagen hinaus in der Entfaltung der realgeschichtlichen Voraussetzungen und Folgen, die die auch für den Nichtphilologen mit großem Gewinn zu lesen sind.
In diesem Kontext verdeutlicht der Autor zunächst die verfahrene Situation der späten römischen Republik und macht sie an einem entscheidenden Wandel fest: der Entstehung einer Armee von landlosen Römern, die als Veteranen darauf angewiesen waren, von ihrem Feldherr versorgt zu werden, so dass ihre Loyalität nicht mehr der Republik sondern ihrem General galt. So war spätestens seit Marius ein Machtfaktor entstanden, der die Republik zu sprengen drohte, wenn sich nur ein General fand, der in der Lage war, mit diesem Pfund zu wuchern. Pompeius, der als erster die Chance gehabt hätte, sich diese neuen Schuhe anzuziehen, stand noch zu sehr in der Tradition des Senatsherrschaft, um mit rein militärischen Mitteln seine Pläne durchzusetzen. Caesar war da anders. Wo Pompejus im Jahre 62 BC seine Armee entlassen hatte, führte sie Caesar im Jahr 49 BC gegen Rom. Auf der Gegenseite stand der Senat, dessen obstruktive Politik, namentlich was die Aktionen Catos betraf, maßgeblich dazu beitrug, diese Entwicklung zu beschleunigen. Ein Ausdruck dieser Beschleunigung war die Entstehung des ersten Triumvirats zwischen Pompejus, Crassus und Caesar, dem im Jahre 58 BC Caesars Konsulat folgte . Schauer definiert dieses Konsulat als wahren Rubicon in Caesars Leben, denn danach gab es für ihn kein Zurück mehr. Er hatte zwar zahlreiche sinnvolle Gesetze erlassen, sie aber unter Bruch nahezu sämtlicher verfassungsrechtlichen Bestimmungen durchgebracht, so dass ihm nach seinem Konsulat und dem Verlust seiner Immunität die Vernichtung drohte. Die Flucht in ein militärisches Kommando nach seinem Konsulat war deswegen für Cäsar eine Frage der Selbsterhaltung.
Was sich in dieser Darstellung wie ein sich selbst vorantreibender Prozess anhört, besitzt aber auch eine psychologische Dynamik. Schauer portraitiert Caesar als einen Mann von überragender Begabung, als zweitbesten Redner Roms (nach Cicero), als gewieften Politiker, herausragenden Feldherren und last not least als beachtlichen Schriftsteller. Der Antrieb, dieses außerordentlich reich begabten Mannes war das Streben nach Ehre und Ansehen für sich und seiner Familie, womit er sich nach Schauers Auffassung von seinen Standesgenossen wenig unterschied. Seine Risikobereitschaft, Geistesgegenwart und sein unverbrüchliches Vertrauen auf sein Glück waren es, die ihn am Ende an die Spitze des Staates führten
Bis dahin musste aber Gallien aber erst einmal erobert werden, womit wir beim eigentlichen Thema des Buches werden, das erst jetzt, nach der langen, ungemein instruktiven Einleitung, auf Seite 80 einsetzt. In diesem Hauptteil geht es nicht in erster Linie um eine Ereignisgeschichte des gallischen Krieges, sondern um eine literaurwissenschaftliche Textanalyse. Wer will, kann hier viel über die Literatur im Dienst der Politik, über antike Historiographie, Stilistik und Rhetorik und Caesars literarische Innovationen lernen. „In der bescheidenen Pose, nur Fakten im Sinne eines herkömmlichen commentarius zusammenzustellen, täuscht er Objektivität und Neutralität vor und tarnt so die durchaus tendenziöse Darstellung seines Bellum Gallicum und die damit verbundene positive Selbstdarstellung. Die besondere Raffinesse liegt dabei gerade im schlichten und knappen Stil, der mit geringem Wortschatz und fast ohne jede Ausschmückung auskommt.“
Was in Schauers Darstellung dagegen kaum vorkommt, ist die inhaltliche Bewertung des römischen Angriffskrieges und der zahlreichen Schandtaten wie etwa das Massaker an den Usipetern und Tencterern. Die Ströme vom Blut, die die Eroberung Galliens forderte, erscheinen ein wenig wie Kollateralschäden der Weltgeschichte. Kein Wunder, dass es auch innerhalb der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft engagierte Kritiker des gallischen Krieges gibt die von unverhohlen Geschichtsforschung sprechen. Sie erhalten in dem vorliegenden Buch jedoch nur wenig Raum.
Cäsar veröffentlichte die sieben Bücher des Gallischen Krieges im Jahre 52 BC, als das Ende seines Kommando nahte und er sich auf den Wiedereinstieg in die Innenpolitik Roms vorbereitete. Der „Bellium Gallicum“ sollte diesen Wiedereinstieg literarisch abfedern und die Römer davon überzeugen, dass aus dem wüsten, verfassungsbrechenden Populisten, der er im Jahre 59 BC fast fluchtartig aus dem Konsulat geschieden war, ein großer Feldherr und Staatsmann geworden war, dessen Ruhm selbst den des Pompeius überstrahlte.
Soweit die Intention der Veröffentlichung, deren Wirkung aber fast völlig verpuffte, denn – Bellum Gallicum hin, Bellum Gallicum her – in Rom war inzwischen Pompeius auf die Seite des Senats gewechselt, der sich unverhohlen darauf vorbereitete, Caesar, nachdem er sein Kommando niedergelegt hatte, zu vernichten. Es wiederholte sich also eine Konstellation, die auch Sulla und Pompeius am Ende erfolgreicher Feldzüge erlebt hatten. Erst später (nach dem Sieg im Bürgerkrieg) wurde der „Bellum Gallicum“ als Julische Jubelschrift zur Quelle eines alle Maßstäbe sprengenden Nachruhms. Generationen von Lateinschülern können ein Lied davon singen.